Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WS*

Er*

f lotitiitt;md traft ei)« fr foc ero fjov «tu# ton tmi !

Abb. 16. Rheinfeldner Urbar, Fischer. Wien, Staatsarchiv (Nr. 425).

von dem das Missale für Matthias Corvinus von
1469 (ehemals in der Rossiana) und das zwei-
bändige Gebetbuch des Kunsthistorischen
Museums herstammen, setzen die gleiche Rich-
tung ins Bürgerliche um und verschmelzen sie
gleichzeitig stärker mit Wesenszügen des neuen
Realismus. Ein Ausläufer in anderer Richtung
ist das Gebetbuch für Erzherzog Albrecht VI.,
das 1455—1463 gearbeitet worden ist; mehr als
den wienerischen setzt ihre Hauptminiatur mit
dem Bildnis des Erzherzogs den steirischen Stil
fort, wie er in der »Schönen Madonna« mit dem
Erzherzog Ernst vorlag. Aber Raum- und Körper-
gefühl sind andere, sicherere geworden und mit
glücklichem Griff war in der Ausstellung der Stich
L. 14 des »Spielkartenmeisters« daneben gestellt.
Die starke Übereinstimmung der beidenBlätter zeigt, wie der neueStil von 1460 Gemeingut geworden ist.

9 Wie die Miniatur hier bis zum Bilddruck geführt war, so wurde anderseits das geschriebene
und gemalte Buch bis zum gedruckten verfolgt. An Stelle der reichen gediegenen Dekoration von
Pergamentblättern tritt im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts in zunehmendem Maße eine leichtere
und volkstümlichere Illustrierung von Papierhandschriften; die prunkvolle Einzelhandschrift wird
von den in organisierten Werkstätten in ganzen Auflagen erzeugten wohlfeilen Erzeugnissen ver-
drängt; die große soziale und ethische Revolutionierung, die die Erfindung von Lettern- und Bild-
druck vollzieht, kündigt sich auf dem Gebiete der Bilderhandschriften vorher an. Dieser Phase
— gewissermaßen von Handschriften, die bereits die geistige Einstellung gedruckter Bücher
besitzen — gehörte die letzte in der Ausstellung gezeigte Gruppe an; diese Arbeiten — WTelt-
chronik, Ulrich von Richentals Chronik des Konstanzer Konzils etc. —, sind schon dem Inhalt
nach der Gattung populärer Literatur zuzuzählen, haben aber mit Österreich nichts mehr zu tun.
Sie zeigen einen allgemeinen oberdeutschen Stil, in dem es natürlich auch jetzt allerhand
provinzielle und lokale Schulen gibt, innerhalb dessen aber für das spezifisch Österreichische, wie
es sich bis dahin nachweisen ließ, kein besonderer Platz mehr vorhanden ist. Wie auf anderen
Gebieten vollzieht sich auch hier im maximilianeischen Zeitalter die Angleichung an das geistige
und künstlerische Deutschland.

Bunter und eigentümlicher war das Bild, das das ältere Österreich auch in der Miniaturmalerei
geboten hatte; die Ausstellung, deren Veranstaltung ein Verdienst Professor Smitals ist, hat diesen
Ausschnitt eindringlich vor Augen geführt, sowohl durch die glückliche Auswahl und Zusammen-
stellung charakteristischer Beispiele aus allen Phasen dieser zweihundertjährigen Entwicklung als
auch durch taktvolles Einfügen gelegentlicher Gegenbeispiele aus anderen deutschen Gegenden.
Eines dieser Gegenbeispiele möge zum Schluß hier Platz finden, eine Miniatur aus einem Rhein-
feldner Urbar des Staatsarchivs um 1400 (Abb. 16). Dieses köstliche Blättchen, in dem das Tun und
Treiben der Fischer mit frischer Unbefangenheit und eine Flußlandschaft mit einem fast japanischen
Impressionismus wiedergegeben sind, läßt sich nicht lokalisieren; aus keiner Schule ist uns unmittel-
barübereinstimmendes bekannt. Die dilettantische Unbekümmertheit dieses reizvollen Genrebildchens
setzt sich über alle schulmäßigen Schranken hinweg. Hans Tietze.

14
 
Annotationen