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inneren Vorstellung hervorgegangen ist. Der Künstler hat auch früher schon mancherlei Zeichnungen
zu Dichtwerken geschaffen, deren Lektüre ihm unwillkürlich sofort Bildvorstellungen wachrief,
und offensichtlich liegt seine Begabung ganz besonders auf diesem Gebiete. Es ist daher doppelt
erfreulich zu hören, daß er jetzt auch mit Entwürfen zum Purgatorio und Paradiso beschäftigt ist,
auf die wir mit Recht gespannt sein dürfen. Er beabsichtigt auch eine Herausgabe des Werkes in
Lithographie, was zweifellos sehr zu begrüßen wäre.

Eine stattliche Reihe verschiedenartigster deutscher Künstler ist es, die wir als Darsteller
von Dantes großer Weltendichtung hier zu betrachten hatten; Männer von anerkanntem Rufe
finden sich gleichermaßen darunter wie junge, vielversprechende Talente, und gewiß sind noch
manche ohne Absicht übergangen worden, für deren Mitteilung der Verfasser jederzeit aufrichtig
dankbar wäre. Es ist außerordentlich anregend und lehrreich zu sehen, wie ein jeder sich auf seine
Weise, innerlich und äußerlich, nach Auffassung und Formgebung, mit der Dichtung auseinander-
gesetzt hat und wie sich darin geradezu ein Stück neueste Kunstentwicklung, vom Impressionismus
bis zum Xachexpressionismus, widerspiegelt, wie aber allen gemeinsam die uns heute wieder
selbstverständliche Tatsache ist, daß zur adäquaten bildlichen Interpretation eines literarischen
Werkes einzig die Griffelkunst, die Graphik im weitesten Umfange, berufen ist. Und noch etwas
drängt sich uns dabei in immer steigendem Maße auf: daß nämlich die Göttliche Komödie, nicht
anders als Shakespeares Dramen, weitgehend zu deutschem geistigen Besitz geworden ist: wie
jene, zunächst durch kongeniale Übersetzungen, weit mehr als jene aber durch die bildliche Dar-
stellung, durch die innere Verarbeitung und Vermittlung seitens deutscher Künstler. Gewiß ist es
das Inferno, das infolge seiner greifbaren Anschaulichkeit auch hier oft vorwiegend zur Illustration
gereizt hat, bei anderen mag Kraft oder Zeit nicht weiter gereicht haben, aber im Grunde ist es
doch der ganze Dante, den uns auch die neue deutsche Kunst vor Augen stellen will. Wir können
daher diese Betrachtungen nicht besser schließen als mit einem aufrichtigen Appell an Kunst-
freunde und Verleger, dieses edle Streben zu fördern und lieber diese bedeutsamen Neuschöpfungen
der Allgemeinheit zugänglich zu machen, statt immer wieder neue Dante-Ausgaben mit den
bekannten Zeichnungen von Flaxman, Genclli oder gar Dore zu illustrieren. — Im Jahre 1805 trat
August Wilhelm v. Schlegel in seinem »Schreiben an Goethe über einige Arbeiten in Rom lebender
Künstler« warm für Joseph Anton Kochs Kompositionen zu Dante ein und schloß mit den Worten:
»Seine meisten Zeichnungen sind freilich nur noch als Skizzen vorhanden; fände sich aber ein
deutscher Buch- oder Kunsthändler, der den Verlag davon in geätzten Blättern übernähme, so
würde er bereit sein, sie zu diesem Zwecke auszuführen; und nach dem Beifalle, den Flaxmans
Zeichnungen unter uns gefunden, und so manchen Anregungen zum erneuerten Studium des
Dante dürfte sich die Unternehmung gewiß einen glücklichen Erfolg versprechen. Ich wünsche
von Herzen, daß nicht auch dieses, wie so manches andere von wackeren deutschen
Künstlern Beabsichtigte aus Mangel an Anregung unterbleiben möge«. Ich brauche
meinerseits nicht besonders hervorzuheben, in welchem Sinn ich diesen Wunsch auf die Künstler
angewendet sehen möchte, von deren Arbeiten ich hier kurz berichten durfte.

Ludwig Volkmann.
 
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