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er von 1911 bis 1915 bei Jettmar die allgemeine Malschule mitmachte. 1918 schuf er für Gerlachs
»Jugendbücherei« sechs Aquarelle zu »Michael Kohlhaas«. Zehn hätten es werden sollen. Der junge
Künstler ließ aber die Aufgabe unvollendet liegen, weil sich ihm die Kosten für Modelle und
Kostüme zu hoch stellten. Es sind vortreffliche, aber etwas ungeschlachte Arbeiten. Jedenfalls
war er mit Eifer bei der Sache, denn die Kraft der Kleistischen Dichtung hatte es ihm angetan.
Im Jahr darauf, 1919, lithographierte er für die Mappe unserer Gesellschaft das Blatt »Zwei Drachen-
töter«. Ein gepanzerter Ritter aus dem späten christlichen Mittelalter und ein japanischer Samurai
in voller Rüstung. Der junge Künstler stellte auf dieser Steinzeichnung dar, woran seine Seele
hing: die große kraftvolle deutsche Vergangenheit und den lockenden Zauber ferner exotischer
Länder. Noch im selben Jahr ging er nach Holland, wo er in Yolendam und an ähnlichen
malerischen Orten nach der Natur arbeitete. Er hatte das Glück, diese Malereien in London gut
zu verkaufen. Mit dem Erlös fuhr er, Empfehlungsbriefe seines Vaters in der Tasche, im Frühjahr 1920
nach Siam. Allein die Xachkriegswehen verhinderten, daß diese Reise für ihn Früchte trug. Von
Siam ging's über Java nach Neuguinea. Dort drang er mit einem anrüchigen Patron, der, wie sich
nachher herausstellte, die von den Holländern verbotene Paradiesvogeljagd betrieb, tief ins Innere
vor. Von seinem Gefährten im Stich gelassen, verbrachte er viereinhalb Monate in einem Papuadorf.
Mühsam gelang es ihm endlich, wieder die Küste zu erreichen. Alles, was er bei den Eingeborenen
künstlerisch gearbeitet hatte, mußte er auf Nimmerwiedersehen zurücklassen. Hinterher hörte er,
daß sein Kamerad von den Papuas umgebracht worden war. Im Spätsommer 1920 trug ihn ein Schiff
von Neuguinea nach Soerabaja auf Java. Von hier aus besuchte er Borneo, Celebes, Flores und
Timor. 1921 kam er auf die östlich von Java gelegene kleine Insel Bali, wo er anderthalb Jahre
verbrachte. Im Herbst 1922 reiste er nach China. Von Peking aus lernte er die Shansiprovinz
kennen, wo er hauptsächlich Bauern malte. In Peking erkrankte er an Scharlach. Sommer und
Herbst 1923 begab er sich dann in die Mongolei, war in Urga, der Hauptstadt der äußeren, und
in Dolon-nor, der Hauptstadt der inneren Mongolei. Das Frühjahr 1924 traf ihn wieder in Peking.
Von der Provinz Sze-tschwan reiste er in die Provinz Kuku-nor in Westtibet. Was ihn an Asien
fesselt, ist der Prunk, das Kostüm, das sich dort noch erhalten hat, wobei er aber selbst sogleich
betont, daß das Kostüm nur Ausdruck des Menschen sei.

Im Herbst 1924 kam Roland Strasser nach London, wo eine von ihm bei Paterson veranstaltete
Ausstellung vollen Erfolg hatte. Dasselbe gilt von einer kleineren Ausstellung seiner Arbeiten im
Palais der österreichischen Gesandtschaft. Im Februar 1925 brachte die Londoner Kunstzeitschrift
»Apollo«, im Dezember desselben Jahres »The Studio« Abbildungen seiner Werke. Im Winter 1924
fuhr er nach Indien, von Bombay ging die Reise über Land nach Kalkutta. Einen Monat verbrachte
er in Nagpur in Zentralindien. Von Kalkutta ging es nach Darjiling, der Einbruchsstelle nach Tibet.
In Kalinpong traf er qtwa einen Monat lang seine Reisevorbereitungen. Aber nur durch eine List
gelang es ihm, mit seiner kleinen Karawane in Tibet einzudringen. Zu Beginn des Jahres 1925
überschritt er auf dem 6000 Meter hohen Kulapaß den Himalaya. Nach zehnmonatiger Reise kam
er im Winter 1925 wieder nach Urga, wo er bis zum Winter 1926 verblieb. Von hier aus unter-
nahm er Abstecher in die Provinz Kobdo, nach Uliassutai und Lama-gigen. Die Mongolei steht
unter russischem Einfluß. In Urga wurde Roland Strasser der Spionage verdächtigt und von den
Sowjets eingesperrt. Seine gesamte Habe wurde ihm konfisziert. Freigelassen, erhielt er wohl seine
Bilder und Skizzenbücher zurück, das Tagebuch seiner zehn Monate währenden Wanderung aber
und eine von ihm selbst aufs sorgfältigste aufgenommene Karte behielten die Russen zurück.
Ende 1926 reiste er durch die Wüste Gobi nach China. Er kam nach Kaigan, als eben der von den

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