Kontur des Kopfes, aus dessen leichter Neigung ebenso wie aus dem gedanken-, fast sorgen-
voll gesenkten Blick eine gewisse Empfindung zu sprechen scheint, durch das den Schultern
sich anschmiegende lange schlichte Haar glücklich dem Gesamtumriß ein. Die Behandlung
der Hände ist nicht ohne Geschick, weniger geglückt die der Füße.
Der stark deckende Charakter der roten und blauen Farbe beeinträchtigt leider empfind-
lich die Sichtbarkeit der Innenzeichnung, die zuweilen auch in der Durchsicht nur mit Mühe
erkennbar ist, so z. B. vier kräftige Striche, die im blauen Gewand von der Gürtelgegend
aufwärts bis zur Brusthöhe führen und oberhalb des Buches enden, darüber eine Anzahl
kleiner, vom Halssaum abwärts gerichteter Schraffen oder entsprechende neben den großen
Röhrenfalten unten. Im allgemeinen begleiten solche kurze Parallelstrichelungen auf der
einen Seite die kräftig gezogenen Hauptlinien der Gewandfalten,
gehen aber hier und da auch quer darüber hinweg. Vor dem
Unterkörper sind verhältnismäßig große Partien durch längere
Strichlagen ins Dunkel gesetzt. Nur am rechten Oberarm
treten auf ganz kurzer Strecke Kreuzlagen auf.
Ich möchte den Stich dem sog. Meister mit den
Blumenrahmen zuweisen, u. zw. dessen unvollständiger
Apostelserie (Lehrs, Geschichte u. Kritischer Katalog Bd. III,
S. 208 Nr. 84 — 88), von der bisher nur die Gestalten des Pe-
trus, Paulus, Andreas, Thomas und Judas Thaddäus bekannt
sind. (Thomas wurde nachträglich von Geisberg dem Meister
des Dutuitschen Olbergs gegeben — vgl. Kupferstich der
Frühzeit, Stud. z. d. Kstgesch. Heft 223 S. 66 Nr. 195.) Drei
Blätter der Folge sind mir aus Abbildungen bekannt, die ich
Dr. Schubert vom Dresdener Kabinett verdanke. Die Gruppe
hat bis auf verschwindende Millimeterdifferenzen gleiche Maße
und die Gesamtbeschreibung von Lehrs: die Apostel sind
barfuß, in Mantel gehüllt, haben Scheibennimben und stehen
auf flachem Boden, der oben mit einer Querlage gedeckt ist,
stimmt mit unserem Blatt überein, nur daß dieses entschieden weniger Kreuzlagen aufweist.
Der zweite Stich, eine stehendeMadonna mit dem Kinde (Abb. 2), wird, wie gesagt,
der gleichen niederrheinischen Stechergruppe zuzurechnen sein, die u. U. bis zum jungen
Israhel van Meckenem zu erweitern wäre — ohne daß ich hier vorerst eine bestimmte Indi-
vidualität als Schöpfer namhaft zu machen vermag.
Der Boden, auf dem Maria steht, ist in diesem Falle nicht nur durch die grüne Farbe,
sondern vor allem durch die eingehendere stecherische Durchbildung unverkennbar als Rasen
charakterisiert. Die Grasbüschel sind gleichsam zu verschiedenen Wellen zusammengefaßt,
was wesentlich zur Belebung der Fläche beiträgt. Links erscheint eine dreiblättrige Pflanze
mit zwei Blüten. Die Madonna, eine anmutige jugendliche frauliche Erscheinung, ist leicht
nach links gekehrt und trägt auf dem rechten Arm, der zugleich das eine Mantelende auf-
nimmt, das Kind, nach dessen Beinchen sie mit der linken Hand greift. Sie ist in ein licht-
blaues Gewand gekleidet, welches am Hals ein schmaler Saum einfaßt. Ein weiter Mantel
umschließt die Gestalt, dessen zügige Linien auch durch die Faltenknicke nicht beeinträchtigt
werden. Er zeigt keine Tönung, nur die Fütterung, die an dem Überfall vor dem Leib sicht-
bar wird, ist rosa gefärbt, entsprechend der unter dem Kleidsaum erscheinenden Spitze des
einen Schuhes. Der Kopf ist dem Kinde zugeneigt, doch scheint der Blick unbestimmt, wie
träumerisch nach abwärts gerichtet. Das schlicht gescheitelte braune Haar fällt über die
2. Niederrheinischer Stecher:
Stehende Madonna. Kolor. Stich
München, Graph. Slg.
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voll gesenkten Blick eine gewisse Empfindung zu sprechen scheint, durch das den Schultern
sich anschmiegende lange schlichte Haar glücklich dem Gesamtumriß ein. Die Behandlung
der Hände ist nicht ohne Geschick, weniger geglückt die der Füße.
Der stark deckende Charakter der roten und blauen Farbe beeinträchtigt leider empfind-
lich die Sichtbarkeit der Innenzeichnung, die zuweilen auch in der Durchsicht nur mit Mühe
erkennbar ist, so z. B. vier kräftige Striche, die im blauen Gewand von der Gürtelgegend
aufwärts bis zur Brusthöhe führen und oberhalb des Buches enden, darüber eine Anzahl
kleiner, vom Halssaum abwärts gerichteter Schraffen oder entsprechende neben den großen
Röhrenfalten unten. Im allgemeinen begleiten solche kurze Parallelstrichelungen auf der
einen Seite die kräftig gezogenen Hauptlinien der Gewandfalten,
gehen aber hier und da auch quer darüber hinweg. Vor dem
Unterkörper sind verhältnismäßig große Partien durch längere
Strichlagen ins Dunkel gesetzt. Nur am rechten Oberarm
treten auf ganz kurzer Strecke Kreuzlagen auf.
Ich möchte den Stich dem sog. Meister mit den
Blumenrahmen zuweisen, u. zw. dessen unvollständiger
Apostelserie (Lehrs, Geschichte u. Kritischer Katalog Bd. III,
S. 208 Nr. 84 — 88), von der bisher nur die Gestalten des Pe-
trus, Paulus, Andreas, Thomas und Judas Thaddäus bekannt
sind. (Thomas wurde nachträglich von Geisberg dem Meister
des Dutuitschen Olbergs gegeben — vgl. Kupferstich der
Frühzeit, Stud. z. d. Kstgesch. Heft 223 S. 66 Nr. 195.) Drei
Blätter der Folge sind mir aus Abbildungen bekannt, die ich
Dr. Schubert vom Dresdener Kabinett verdanke. Die Gruppe
hat bis auf verschwindende Millimeterdifferenzen gleiche Maße
und die Gesamtbeschreibung von Lehrs: die Apostel sind
barfuß, in Mantel gehüllt, haben Scheibennimben und stehen
auf flachem Boden, der oben mit einer Querlage gedeckt ist,
stimmt mit unserem Blatt überein, nur daß dieses entschieden weniger Kreuzlagen aufweist.
Der zweite Stich, eine stehendeMadonna mit dem Kinde (Abb. 2), wird, wie gesagt,
der gleichen niederrheinischen Stechergruppe zuzurechnen sein, die u. U. bis zum jungen
Israhel van Meckenem zu erweitern wäre — ohne daß ich hier vorerst eine bestimmte Indi-
vidualität als Schöpfer namhaft zu machen vermag.
Der Boden, auf dem Maria steht, ist in diesem Falle nicht nur durch die grüne Farbe,
sondern vor allem durch die eingehendere stecherische Durchbildung unverkennbar als Rasen
charakterisiert. Die Grasbüschel sind gleichsam zu verschiedenen Wellen zusammengefaßt,
was wesentlich zur Belebung der Fläche beiträgt. Links erscheint eine dreiblättrige Pflanze
mit zwei Blüten. Die Madonna, eine anmutige jugendliche frauliche Erscheinung, ist leicht
nach links gekehrt und trägt auf dem rechten Arm, der zugleich das eine Mantelende auf-
nimmt, das Kind, nach dessen Beinchen sie mit der linken Hand greift. Sie ist in ein licht-
blaues Gewand gekleidet, welches am Hals ein schmaler Saum einfaßt. Ein weiter Mantel
umschließt die Gestalt, dessen zügige Linien auch durch die Faltenknicke nicht beeinträchtigt
werden. Er zeigt keine Tönung, nur die Fütterung, die an dem Überfall vor dem Leib sicht-
bar wird, ist rosa gefärbt, entsprechend der unter dem Kleidsaum erscheinenden Spitze des
einen Schuhes. Der Kopf ist dem Kinde zugeneigt, doch scheint der Blick unbestimmt, wie
träumerisch nach abwärts gerichtet. Das schlicht gescheitelte braune Haar fällt über die
2. Niederrheinischer Stecher:
Stehende Madonna. Kolor. Stich
München, Graph. Slg.
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