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holen, so hätte es nichts Verwunderliches, wenn ihm die Figuren der Ehrenpforte bei einem
selbständigen Bilde als Versatzstücke sehr willkommen gewesen wären32.

Das Aufsuchen individueller Eigentümlichkeiten des Zeichners ist bei dem „Triumphzug"
schwieriger, wie gesagt. Gern hat man besonders die letzten Blätter, die den Troß darstellen
(Bl. 132—137), Hans Dürer geben wollen, hauptsächlich wohl wegen der vielen genremäßigen
Züge, die ja auch im Gebetbuch auf den mit H D bezeichneten Blättern auftreten.

Mehrfach begegnet auch hier das vereinfachende Sichdecken der Beine von Vierfüßlern; so auf
Bl. 136 bei dem Hunde links vorn; die Hinterbeine decken sich fast, das rückwärtige ist wieder
mit Schraffur angedeutet. Ähnlich der galoppierende Hund auf Bl. 132. Häufiger kommt das
dann bei den Pferdedarstellungen vor, was ja an sich nahe liegt bei dem Zwang zum fast
fabrikmäßigen Vereinfachen, ohne daß es eine Eigentümlichkeit eines Künstlers sein muß.

Auf Bl. 134 begegnet ein Mann mit einem toten Hahn an der Lanze; das erinnert an den
Bauern mit dem toten Hahn an der Mistgabel, der auf einem H D bezeichneten, im 17. Jh.
(1624) gedruckten Holzschnitt vorkommt33.

An Einzelheiten finden wir auch hier wieder die „ausgebohrten" Augen, durch die der Blick
etwas scharf Gespanntes, Dringendes bekommt — so auf Bl. 136 bei den Figuren rechts vorn,
auch auf Bl. 134; aber besonderes Gewicht soll darauf nicht gelegt werden. — Nach der einen
bei Baldass veröffentlichten Abbildung des Trosses (Abb. 33) scheint bei der Köldererschen
Vorlage die Komposition etwas verzettelt über eine landschaftliche Tiefe verteilt zu sein; der
Künstler der Holzschnitte konzentriert sie dagegen reliefmäßig auf einer Bühne von geringer
Tiefe, aber mit reizvoller Landschaft. —

Versuchen wir eine kurze Charakteristik Hans Dürers auf Grund der ihm bisher mit mehr
oder weniger Wahrscheinlichkeit zugeschriebenen Werke, so ist zunächst zu sagen, daß alle
bisherigen Beurteiler darin übereinstimmen, er sei kein großer Künstler gewesen. In seinen
religiösen Bildern scheint ihm selbständige Gestaltungskraft zu fehlen. Er nimmt — ein flei-
ßiger Kompilator — Motive und Figuren anderswoher — am meisten nachweisbar natürlich
von seinem Bruder Albrecht; seine eigene Erfindungskraft ist wohl sehr gering. Was er kann
und einmal gemacht hat, wiederholt er gern. Auf seine — auch geistige — Trägheit bezieht
sich wohl die von seinem Bruder geäußerte Besorgnis, daß er „erfaull". Größere Originalität
scheint er zu entwickeln, wenn es sich um profane Darstellungen handelt. Hier entnimmt er
offenbar mit besonderer Lust und mit Geschick dem täglichen Leben das Genremäßige, das
Volkstümliche, mit Freude am Komischen, Drolligen, vielleicht sogar Vulgären.

Was das Technisch-Formale angeht, so besitzt er wohl ein unverächtliches Können, wenn
er auch die menschliche Figur nicht völlig beherrscht — was aber auch unter den Nachfolgern
Dürers durchaus nicht restlos der Fall ist. Ein dekoratives Talent ist ihm nicht abzusprechen,
was sich in den eines Dürer durchaus nicht unwürdigen Bandzeichnungen des „Gebetbuches"
ausspricht. Gehören ihm die Schlußblätter des „Triumphzuges", so ist ihm eine Gabe flüssiger
Erzählung und Schilderung eigen. Sehr ausgeprägt ist bei ihm der Sinn für die Farbe, für
koloristische Effekte, die ihn eher in die Nähe Altdorfers, als in die seines Bruders rückt.
Dahin gehört auch seine Freude an landschaftlicher Gestaltung, die ihn noch in seiner Kra-
kauer Zeit nicht verläßt. Ist er mit 44 Jahren dort verstorben (1534), so hatte er wohl gesagt,
was er zu sagen hatte und unter dem Anhauch seines genialen Bruders am besten gesagt hat.

32 Auch hier schöpft er wohl aus dem Reservoir des großen Bruders; man vergleiche die eine der vier
Hexen auf dem Kupferstich B. 75 und die Frauenfigur auf dem Traum des Doktors B. 76. Dgl. die früher
Dürer genannte Zeichnung der Frau mit dem Spiegel (in den Uffizien). Stadler, H. von Kulmbach a a O
Taf. 60. S. 123.

33 Beenken a. a. O. S. 73.

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