Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
auf die ruhige Erscheinung der Gestalten im Bildraum, sondern auf das transitorische Moment
der in rascher Bewegung an dem Beschauer vorüberschreitenden Gruppe gelegt. Einige
Figuren, die der Künstler in die letzte ausgeführte Fassung übernommen hat, fehlen hier
noch.

Ein weiteres, zu einem bekannten Werke des Meisters in Beziehung stehendes Blatt ist
uns in der Studie zum hl. Proclus der Pietä in der Bologneser Galerie, die sich heute im Besitz
der Bibliothek des Königs in Windsor (Nr. 3355) befindet, erhalten (Abb. 3). Die Zeichnung
stimmt so weitgehend mit der Gestalt des Heiligen überein, daß wir in ihr eine unmittelbare
Vorstudie zu der Figur in dem ausgeführten Gemälde erblicken dürfen. Uber den Charakter
einer Naturstudie kann kein Zweifel bestehen. Dem Künstler mag als Modell ein Werkstatt-
gefährte gedient haben, der hier mit einem über den nackten Körper gelegten Mantel dra-
piert wird. Stil, Auffassung sowie die ausgesprochen malerische Behandlung der Zeichnung
mit dem Hauptnachdruck auf einer naturgetreuen Erscheinung sind für das beginnende
17. Jahrhundert charakteristisch. In der Wiedergabe des Nackten ist der Künstler nicht nur
von der Kunst Raffaels und seiner römischen Nachfolger, sondern auch von der Antike ab-
hängig, die ihm den Weg zu einer klassisch beruhigten Formengebung und zu einem vornehm
zurückhaltenden Ausdruck gewiesen. In dem Eingehen auf die materiellen Besonderheiten
der Faltengebung des sich schmiegsam an den Körper legenden Mantels, der an den ent-
scheidenden Stellen durch kräftige Schatten hervorgehoben wird, verrät Reni das Studium
Caravaggios, der ihn durch sein Vorbild in dem Bestreben bestärkt hat, der Erscheinung den
höchsten Grad äußerer Wirklichkeit abzugewinnen.

42
 
Annotationen