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Glaser, Curt
Die Kunst Ostasiens: der Umkreis ihres Denkens und Gestaltens — Leipzig: Insel-Verl., 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.53086#0147
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Bild und Gedicht eines Bunjingwa-Meisters stehen
zueinander in dem gleichen Verhältnis wie die musi-
kalische Komposition zu ihrem Text. Arnold Schön-
berg schildert das Erlebnis des Musikers, der die
Stimmung des Liedes in den Tönen erfaßt, ohne daß
ihm das Substrat der realen Wortbedeutungen etwas
wesentlich Neues hinzugeben könnte. Er spricht von
Schubert-Liedern: „Es zeigte sich mir, daß ich, ohne
das Gedicht zu kennen, den Inhalt, den wirklichen
Inhalt, sogar vielleicht tiefer erfaßt hatte, als wenn
ich an der Oberfläche der eigentlichen Wortgedanken
haften geblieben wäre.“1 Der Gefühlsreichtum der
Sprache, als Trägerin von Gedanken, versagt vor dem
musikalischen Ausdruck. Ganz im Sinne der Musik
ist das gemalte Stimmungsbild zu verstehen, das ebenso
unmittelbar zum Träger und Vermittler eines Allge-
meingefühles wird, das in keinem sprachlichen Aus-
druck adäquat wiedergegeben werden kann.
Man kann diesen musikalischen Charakter des ost-
asiatischen Stimmungsbildes gut demonstrieren an
einem Album mit einer Folge von Landschaftsbildern,
das auf einen der größten Meister der japanischen
Malerei zurückgeführt wird. Ganz wenige und immer
gleiche Formelemente kehren in allen diesen Bildern
des Sesshü wieder, Andeutungen von Bergen, Baum-
gruppen, das Dach einer Hütte, ein Fischerboot. Nur
die Anordnung der sparsamen Pinselstriche ist jedes-
mal eine andere, und jedesmal gibt ihr Zusammen-
klang eine andere Note der gleichen Grundstimmung.
Ein Thema ist angeschlagen und wird durch vielfache

Der blaue Reiter“. München 1912. S. 31.

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