Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Glatz, Karl Jordan [Hrsg.]
Chronik des Bickenklosters zu Villingen: 1238 bis 1614 — Stuttgart, 1881

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6273#0014
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5

sollten zur geduld im leiden, in kämpfen und nöthen kraft geben
Mit dem beschaulichen und übenden leben pflegte die übtissin das
religiöse, als die grundlage und Voraussetzung des erstem. Die feier des
gottesdienstes, namentlich der messe an den hauptfesten, bildete von
selbst immer den mittel- und höhepunkt des religiösen lebens. Damit
hing das breviergebet innigst zusammen 2. Indess so nahe sich Ursula
an Heinrich Suso anschloß, scheinen doch die schritten Taulers und
des ungenannten mystikers ihr nicht unbekannt geblieben zu sein-
Wir finden die dogmatisch vollkommen korrekten auffassungen von
dem wesen der seele, deren moralischem Verhältnis zu gott, der Stel-
lung des leiblichen zum geistigen, die begründung aller guten werke
durch die vorherrschende beeinflussung des menschlichen willens von
dem göttlichen in einem dem taulerischen ganz ähnelnden sinne s.
Wer weiß endlich, wie viel geistliche Sentenzen Ursula in dem von
ihr geheim geschriebenen und aufbewahrten buch aus den Schriften
des unbekannten mystikers ausgezogen hat, in welchem noch „ettliehe
capitel sein, die ich [Verfasserin der chronik] usgelassen, darum
dass sie meinem kindlichen verstand zue hoch seinu? 4.

Das licht göttlicher erkenntnis und miune, welches von Ursula
ausging, konnte für ihre Umgebung nicht ohne heilsame Wirkung
bleiben. Zog sie ihre mitschwestern auch nicht zur höhe ihres geistes
hinauf, so regte sie in ihnen doch eine gleichartige geistesrichtung und
thätigkeit an. Die ebenbürtige Schwester der mystik ist die poesie.
Wir finden diese verschwisterung auch in dem Bickenkloster. Die
zahlreichen Sinngedichte, welche die gleichzeitigen konventualinnen
der Ursula verfassten, sind die unwiderlegbarsten beweise hiefür. Es
dichtete Schwester Cacilia Bayer ein Sinngedicht auf den grünfink,
Juliana Bürge auf das blauelein, Anna Bruhi auf den spar, Ursula
Funk auf die eule, Apollonia Brugger auf das bruströthele, Veronika
von Nidegg auf den ächer, Elsbeth Stierli auf das zaunschlüpf-
!ein, Barbara Stöckli auf die taube, Klara Wittenbach, Trsulas nach-
folgerin in der abtswürde des Bickenklosters, auf den wannen-
wecker, Magdalena Bröcki auf den sperber, Anna Humpissin auf den
schalm, Kleopha Weinzürele auf die amsel, Brida Forster auf die lerche,
Magdalena Wagner auf den auerhahn, Agnes Blum auf den renk, Be-
nedikta Bücheler auf das sprinzli, Katharina Roschach auf den adler,

1 Kapitel 16, 20, 21. 2 Kapitel 35. 3 Kapitel 41. 4 Kapitel 43.
 
Annotationen