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Auktionshaus für Altertümer Glückselig <Wien> [Hrsg.]; C. J. Wawra <Wien> [Hrsg.]
Nachlass Gottfried Eissler: Gemälde, Aquarelle, Miniaturen, Plaketten, Silber, Keramik etc. ; [Versteigerung: Mittwoch, 6. Mai, Donnerstag, 7. Mai] — Wien, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.23468#0015
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GOTTFRIED E1SSLER ALS SAMMLER

rdnung und Vollständigkeit waren die beiden Eigenschaften, die ich meiner
kleinen Sammlung zu geben wünschte; ich las die Geschichte der Kunst,
ich legte meine Blätter nach Schulen, Meistern und Jahren, ich machte Kata-
logen, und muß zu meinem Lohe sagen, daß ich den Namen keines Meisters,
die Lehensumstände keines braven Mannes kennen lernte, ohne mich nach
irgend einer seiner Arbeiten zu bemühen, um sein Verdienst nicht nur in
Worten nachzusprechen, sondern es wirklich und anschaulich vor mir zu haben.« Diese Worte,
die Goethe in seinem Aufsatze »Der Sammler und die Seinigen« dem ersteren in den Mund
legt, könnten mit einiger Einschränkung auch auf Gottfried Eissler Anwendung finden.
Diesem ernsten und vollwertigen Kunstfreund bedeutete seine Sammeltätigkeit weniger eine
Liebhaberei aus Veranlagung und Neigung, als eine planmäßige Lortbildung seines individu-
ellen Geschmackes; sie verhalf ihm auch vielfach zu einem systematischen Aufbau seiner
praktischen und theoretischen Kunstkennerschaft. Ein Amateur, gleichsam auf berufliche Basis
gestellt, hatte er zugleich das Zeug in sich zu einem überzeugungstüchtigen Wissenschaftler,
zu einem sorgfältig prüfenden Gelehrten.

Sein Lebenslauf ist bald erzählt. 1862 in Wien geboren und einer angesehenen und
kunstfreundlichen Industriellenfamilie entstammend, ließ er sich schon als Kind von einem
regen Sammeltrieb leiten. Die Markenliebhaberei seiner Kinderjahre wurde auf den Schul-
bänken des Piaristen- und Akademischen Gymnasiums durch ein leidenschaftliches Zu-
sammentragen von Münzen, Mineralien, Sämereien, präpariertem und lebendem Getier ab-
gelöst. Mit achtzehn Jahren nahm er in Ischl an der Versteigerung des Nachlasses' des
Reichsgrafen von Sickingen zum ersten Mal als wirklicher Sammler Anteil. Reichte freilich
sein Taschengeld zunächst nur zum Ankauf einer chinesischen Specksteinfigur, so gelangte
er auch schon durch eine kühn durchgeführte Anleihe hei einem mitauktionierenden Lreunde
in den Besitz eines Tafelservices aus altem Silber und einiger Bücher, die hauptsächlich
wegen ihrer schönen alten Lederhände erworben wurden. Diese spärlichen Erwerbungen
bilden gewissermaßen den Grundstock für seine weitere und ungefähr um die Wende der
Neunzigerjahre schon stärker einsetzende Sammeltätigkeit. Zunächst für den Beruf eines
Lorstmannes und Landwirtes bestimmt, besuchte er drei Jahre lang mit mangelndem Inter-
esse und geringem Erfolg die Hochschule für Bodenkultur. Er hing dieses Studium jedoch
bald auf den Nagel, unternahm zahlreiche ausgedehnte Studienreisen, die ihn nach Italien,
Lrankreich und England, nach Deutschland und Holland führten, und bildete sich durch
fleißigen Verkehr mit Künstlern und Kunstfreunden fort, um sich schließlich für die philo-
sophische Fakultät der Universität zu entscheiden. Er hörte die richtunggebenden Kollegien

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