Bauleiter an der Peterskirche, war mit dem „Baldacchiiio“ beinahe fertig;
Poussin malte in Rom seine Mythologien; Van Dyck übersiedelte nach
England und wurde der Hofmaler König Karls I.
Es war die Zeit der Religionskriege; aber in Holland lebten mehrere
Religionen und hundert Sekten friedlich neben einander. Es gab Remon-
stranten, Collegianten, Epikuristen, Pelagianer, Sozianer, Rosenkreuzer,
Pantheisten, Papisten, Antitrinitarier und drei Gruppen von Mennoniten,
darunter die „Taufgesinnten“. Der Calvinismus dominierte, war aber nicht
die Staatskirche. Seit 1610 gab es in Holland keine Hexen und Zauberer mehr,
niemand wurde dort verbrannt.8 Der Norden war protestantisch, der Süden
katholisch; es waren Gegensätze da, aber kein mordsüchtiger Haß. Dort und
damals, wie Huizinga bemerkt hat, läuteten die Glocken nur zum Begräbnis;
die Orgel war verdächtig, aber ihre Stimme war zu schön als daß die calvi-
nistischen Prediger sie hätten zum Schweigen bringen können. Auch in den
Tempeln ertönten ungestört die hebräischen Hymnen.
Es war eine Epoche der Vernunft: Kepler und Galilei, Descartes und
Comenius stehen an ihrem Eingang, Leibniz und Newton an ihrem Ausgang.9
Und doch war diese Periode von einer tiefen und reinen Frömmigkeit erfüllt.
Zum erstenmal seit dem Mittelalter wurden in ganz Europa wieder wahrhaft
religiöse Bilder gemalt, vor allem von Rembrandt und Zurbarän. Milton, das
„Genie des Puritanismus“, Bunyan, der „Pilgrim zur seligen Ewigkeit“,
Calderon, der Verfasser von fast hundert Fronleichnamsspielen, Pascal, der
Denker von Port-Royal (wo man es sich zur Aufgabe gemacht hatte, „die
Religion in ihrer Strenge und das Christentum in seiner Reinheit wieder-
herzustellen“), Bossuet und Fenelon, die „beiden letzten Kirchenväter“ - : sie
alle schrieben ihre Gedichte, Gedanken, Schauspiele und Predigten während der
zwei Jahrzehnte nieder, in denen Vermeer seine Bilder malte. Auch die Mystik
8 Um 1596 war ein armer Handwerker in Am-
sterdam, der die Bibel auf Hebräisch und Griechisch
lesen gelernt hatte, zu der Überzeugung gekommen,
daß Jesus Christus nur ein Mensch gewesen sei. Er
wurde der Ketzerei angeklagt; der Bürgermeister von
Amsterdam verteidigte ihn und sagte, der Mann sei
„wegen seiner Meinungen“ exkommuniziert worden
und die Kirche habe sich damit zufrieden zu geben.
„Ich glaube,“ sagte er, „daß das Leben der Menschen
nicht von den Subtilitäten der Theologen abhängen
darf.“ - Der Maler Torrentius, ein Rosenkreuzer,
wurde 1628 zu Haarlem wegen nachgewiesener
Unzucht und wegen seiner atheistischen Lehren, mit
denen er nicht zurückhielt, zu zwanzig Jahren Kerker
verurteilt, kam aber schon nach zwei Jahren frei.
(Weiteres Material in Brandt, Histoire de la Reformation
des Pays-Bas, 1.)
9 „Galilei starb in dem Jahre, da Newton geboren
wurde. Hier liegt das Weihnachtsfest unserer neuen Zeit“
(Goethe). Im Geburtsjahre Vermeers erschienen die
Kopernikanischen Dialoge von Galilei.
Poussin malte in Rom seine Mythologien; Van Dyck übersiedelte nach
England und wurde der Hofmaler König Karls I.
Es war die Zeit der Religionskriege; aber in Holland lebten mehrere
Religionen und hundert Sekten friedlich neben einander. Es gab Remon-
stranten, Collegianten, Epikuristen, Pelagianer, Sozianer, Rosenkreuzer,
Pantheisten, Papisten, Antitrinitarier und drei Gruppen von Mennoniten,
darunter die „Taufgesinnten“. Der Calvinismus dominierte, war aber nicht
die Staatskirche. Seit 1610 gab es in Holland keine Hexen und Zauberer mehr,
niemand wurde dort verbrannt.8 Der Norden war protestantisch, der Süden
katholisch; es waren Gegensätze da, aber kein mordsüchtiger Haß. Dort und
damals, wie Huizinga bemerkt hat, läuteten die Glocken nur zum Begräbnis;
die Orgel war verdächtig, aber ihre Stimme war zu schön als daß die calvi-
nistischen Prediger sie hätten zum Schweigen bringen können. Auch in den
Tempeln ertönten ungestört die hebräischen Hymnen.
Es war eine Epoche der Vernunft: Kepler und Galilei, Descartes und
Comenius stehen an ihrem Eingang, Leibniz und Newton an ihrem Ausgang.9
Und doch war diese Periode von einer tiefen und reinen Frömmigkeit erfüllt.
Zum erstenmal seit dem Mittelalter wurden in ganz Europa wieder wahrhaft
religiöse Bilder gemalt, vor allem von Rembrandt und Zurbarän. Milton, das
„Genie des Puritanismus“, Bunyan, der „Pilgrim zur seligen Ewigkeit“,
Calderon, der Verfasser von fast hundert Fronleichnamsspielen, Pascal, der
Denker von Port-Royal (wo man es sich zur Aufgabe gemacht hatte, „die
Religion in ihrer Strenge und das Christentum in seiner Reinheit wieder-
herzustellen“), Bossuet und Fenelon, die „beiden letzten Kirchenväter“ - : sie
alle schrieben ihre Gedichte, Gedanken, Schauspiele und Predigten während der
zwei Jahrzehnte nieder, in denen Vermeer seine Bilder malte. Auch die Mystik
8 Um 1596 war ein armer Handwerker in Am-
sterdam, der die Bibel auf Hebräisch und Griechisch
lesen gelernt hatte, zu der Überzeugung gekommen,
daß Jesus Christus nur ein Mensch gewesen sei. Er
wurde der Ketzerei angeklagt; der Bürgermeister von
Amsterdam verteidigte ihn und sagte, der Mann sei
„wegen seiner Meinungen“ exkommuniziert worden
und die Kirche habe sich damit zufrieden zu geben.
„Ich glaube,“ sagte er, „daß das Leben der Menschen
nicht von den Subtilitäten der Theologen abhängen
darf.“ - Der Maler Torrentius, ein Rosenkreuzer,
wurde 1628 zu Haarlem wegen nachgewiesener
Unzucht und wegen seiner atheistischen Lehren, mit
denen er nicht zurückhielt, zu zwanzig Jahren Kerker
verurteilt, kam aber schon nach zwei Jahren frei.
(Weiteres Material in Brandt, Histoire de la Reformation
des Pays-Bas, 1.)
9 „Galilei starb in dem Jahre, da Newton geboren
wurde. Hier liegt das Weihnachtsfest unserer neuen Zeit“
(Goethe). Im Geburtsjahre Vermeers erschienen die
Kopernikanischen Dialoge von Galilei.