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Einleitung.
und den Händen ausdrückt. Die durch den Mantel festgeschlossenen
Oberarme sind in der spätantiken und altbyzantinischen Kunst
ausserordentlich häufig. Die Sarkophagreliefs zeigen sie, der Gregor
von Nazianz in Paris in zahlreichen Bildern, ebenso die Sammlung
heiliger Schriftstellen aus dem 9. Jahrhundert in Paris (Bibi. Hat. 923).
Nur die Hand ragt aus dem Gewände hervor, sie ist meist vollständig
geöffnet, und es bedurfte nur des Pederzeichners, welcher die Finger
durch einzelne Striche wiedergab, um die gezwungenen und ge-
spreizten Gesten des Utrechtpsalters daraus entstehen zu lassen.
Weit zahlreicher als im Utrechtpsalter sind die Entlehnungen
aus der Antike in dem etwas jüngeren Stuttgarter Psalter. Ausser
einer Menge antiker Personificationen wie Sol, Luna, Terra, Morbus,
Anima (als weibliche bekleidete Gestalt der Psyche näherstehend und
nicht wie in späteren Jahrhunderten als kleines Kind), wie Babylon
als Frau mit Mauerkrone, das Rothe Meer als Ungeheuer, welches die
Egypter verschlingt, hält sich auch die Auffassung noch an antike
Vorstellungen. So ist der „homo in honore“ durch eine antike Sieger-
gestalt wiedergegeben, Christus, der nach Psalm 90 Löwe und Drachen
zu Boden tritt, vollbringt dies in der Rüstung eines römischen
Kriegers, die Wüste ist durch den Gott Pan characterisiert. Auch
die Kleidung, die Haartracht, die Geräthe sind meist antik; die Ge-
bäude zeigen gewöhnlich ein Tympanon mit einem seitwärts blickenden
Adler, ganz wie sie sich auf nachgeahmten Portalen spätrömischer
Sarkophage finden; die Thiere, besonders die mehrfach angebrachten
Stiere, haben einen vollständig antiken Character; unter den Ge-
schöpfen, welche das Meer beleben, befinden sich Polypen, die ge-
wiss auf den Süden weisen.
Unverkennbar sind also sowohl im Utrechtpsalter als auch im
Stuttgarter die Beziehungen zur älteren Cultur in Rom und Byzanz.
Die Eintheilung und die Vergleichung mit andern Handschriften
führte uns zunächst zu byzantinischen Quellen; dabei muss man je-
doch bedenken, dass uns weder illustrierte altchristliche Handschriften
des Psalters noch genügende liturgische Kenntnisse jener Frühzeit zu
Gebote stehen, um zu ermessen, ob diese Gattung von Psalterien mit
Wortillustrationen nicht schon in Rom vorhanden und ob dort nicht
auch die Theilung des Psalters vor Psalm 77 schon eingeführt war. Es
könnten dann den fränkischen Zeichnern ebensowohl spätrömische
Vorbilder statt der altbyzantinischen Vorgelegen haben.
Wie sich diese Vorbedingungen auch gestalten, jedenfalls sind
die Psalterien mit Wortillustrationen, wie der Utrecht- und der Stutt-
Einleitung.
und den Händen ausdrückt. Die durch den Mantel festgeschlossenen
Oberarme sind in der spätantiken und altbyzantinischen Kunst
ausserordentlich häufig. Die Sarkophagreliefs zeigen sie, der Gregor
von Nazianz in Paris in zahlreichen Bildern, ebenso die Sammlung
heiliger Schriftstellen aus dem 9. Jahrhundert in Paris (Bibi. Hat. 923).
Nur die Hand ragt aus dem Gewände hervor, sie ist meist vollständig
geöffnet, und es bedurfte nur des Pederzeichners, welcher die Finger
durch einzelne Striche wiedergab, um die gezwungenen und ge-
spreizten Gesten des Utrechtpsalters daraus entstehen zu lassen.
Weit zahlreicher als im Utrechtpsalter sind die Entlehnungen
aus der Antike in dem etwas jüngeren Stuttgarter Psalter. Ausser
einer Menge antiker Personificationen wie Sol, Luna, Terra, Morbus,
Anima (als weibliche bekleidete Gestalt der Psyche näherstehend und
nicht wie in späteren Jahrhunderten als kleines Kind), wie Babylon
als Frau mit Mauerkrone, das Rothe Meer als Ungeheuer, welches die
Egypter verschlingt, hält sich auch die Auffassung noch an antike
Vorstellungen. So ist der „homo in honore“ durch eine antike Sieger-
gestalt wiedergegeben, Christus, der nach Psalm 90 Löwe und Drachen
zu Boden tritt, vollbringt dies in der Rüstung eines römischen
Kriegers, die Wüste ist durch den Gott Pan characterisiert. Auch
die Kleidung, die Haartracht, die Geräthe sind meist antik; die Ge-
bäude zeigen gewöhnlich ein Tympanon mit einem seitwärts blickenden
Adler, ganz wie sie sich auf nachgeahmten Portalen spätrömischer
Sarkophage finden; die Thiere, besonders die mehrfach angebrachten
Stiere, haben einen vollständig antiken Character; unter den Ge-
schöpfen, welche das Meer beleben, befinden sich Polypen, die ge-
wiss auf den Süden weisen.
Unverkennbar sind also sowohl im Utrechtpsalter als auch im
Stuttgarter die Beziehungen zur älteren Cultur in Rom und Byzanz.
Die Eintheilung und die Vergleichung mit andern Handschriften
führte uns zunächst zu byzantinischen Quellen; dabei muss man je-
doch bedenken, dass uns weder illustrierte altchristliche Handschriften
des Psalters noch genügende liturgische Kenntnisse jener Frühzeit zu
Gebote stehen, um zu ermessen, ob diese Gattung von Psalterien mit
Wortillustrationen nicht schon in Rom vorhanden und ob dort nicht
auch die Theilung des Psalters vor Psalm 77 schon eingeführt war. Es
könnten dann den fränkischen Zeichnern ebensowohl spätrömische
Vorbilder statt der altbyzantinischen Vorgelegen haben.
Wie sich diese Vorbedingungen auch gestalten, jedenfalls sind
die Psalterien mit Wortillustrationen, wie der Utrecht- und der Stutt-