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Einleitung.

Elemente zum Schmuck einer neuen Handschrift, oder man nahm
Altes und erfand Neues hinzu.

Die Spuren der Zusammensetzung sind zuweilen noch sichtbar.
Der Psalter des Egbert von Trier in Cividale, der im 10: Jahrhundert
vermuthlich im Kloster Reichenau geschrieben wurde, zeigt vor
jedem Psalm eine reiche Initiale, doch trennen sich stilistisch und
technisch deutlich zwei Gattungen; die eine ist deutsch und entspricht
den frühottonischen Handschriften mit ihren unregelmässig verzweig-
ten Knospenranken, die andere besteht aus sorgfältig ausgeführten
Akanthusblättern, die nur auf antike Vorbilder, vermuthlich in
fränkischer Umarbeitung, zurückgehen können. Die deutschen Ini-
tialen finden sich in der Majorität und. zwar überall dort, wo die ein-
heimische Theilung in 15 Theile von 10 Psalmen markiert ist, wie
es in den Alpenklöstern Gebrauch war, die antikisierenden Initialen
dagegen treten in der Handschrift zuerst vor Psalm 26 und 38 auf,
also den ersten Psalmen, welche in den fränkischen Psalterien aus-
gezeichnet waren, obgleich diese Stellen in dem Cividale-Codex nicht
betont sind. Man kann also auf eine französische Vorlage schliessen,
welcher neben einheimischen die Initialornamentik entnommen ist.

Ebensolche Verschiedenheiten kann man in dem Psalterium
Aureum in St. Gallen (Stiftsbibliothek Cod 22)') beobachten. Diese
im 9. Jahrhundert dort vollendete Handschrift zeigt ebenfalls Initialen
verschiedenen Characters, und wiederum haben diejenigen vor der
15 Theilung mehr den Stil des flechtwerkartigen Rankenwerkes mit
Knospen und pfeilartigen Blättern und die vor den liturgischen Ab-
theilungen die Verwendung des antikisierenden Akanthusblattes.
Durch Benutzung solcher verschiedenartiger Vorlagen wurden dann
auch die verschiedenen Eintheilungen combiniert, wie es eben hier
bei dem Psalterium Aureum der Fall ist. In dieser Handschrift
aber herrscht noch eine dritte Theilung vor. Die Initialen von
Psalm 1, 41 und 72 überragen alle andern weit, nehmen eine ganze
Seite ein und sind mit ornamentalem Rahmen versehen. Es sind
dies aber die Anfänge der drei ersten Bücher der hebräischen Psalter-
eintheilung in fünf Bücher. Die hebräische Theilung ist hier also
die hervorstechendste, und die Vermuthung wird nahegelegt, dass
der Schreiber eine ausgeschmückte hebräische Psalterversion unter
seinen Vorlagen hatte; bekräftigt wird dies durch die Thatsache,
dass der einzige Schweizer Psaltercodex der hebräischen Version

’) Vgl. die Publication von J. R. Rahn, Das Psalterium Aureum.
 
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