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Goldschmidt, Adolph; Weitzmann, Kurt; Goldschmidt, Adolph [Editor]; Weitzmann, Kurt [Editor]
Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des X. - XIII. Jahrhunderts (Band 1): Kästen — Berlin: Bruno Cassirer, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.53146#0035
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27

BYZANTINISCHE ELFENBEINSKULPTUREN

der Brust ist der verkümmerte Rest eines Mäntelchens sichtbar.
Die dritte Wiederholung dieses Kriegers (e) gibt zwar den zum
Vorbild gehörenden Schild wieder, doch ist diesmal der Panzer
zur Tunika geworden. Vermutlich gehen auch die beiden Bogen-
schützen (a und c) auf Josuakrieger zurück, da ähnliche in den
Josuaszenen des cod. Vat. grec. 747 vorkommen (II Rotido, I al. L, 3,1.
Die erste Platte der Vorderseite (b) und im Gegensinn die letzte
der Rückseite (c) zeigen Josua, der auf einem zylindrischen I lirone
sitzt, aus der Szene, wie er die Gesandten der Gabaoniter empfängt
(II Rotulo, Taf. XI). Sein Mantel ist verschwunden bis auf einen
kleinen Zipfel zwischen Schenkel und Rumpf. Ein in voller
Rüstung schreitender Josuakrieger (c) läßt sich auf keine be-
stimmte Szene zurückführen (vgl. Nr. 4)- Auf einen voll gepan-
zerten Josuakrieger geht auch jene Figur (b) zurück, die jetzt in
eine Exomis gekleidet, sich mit der Rechten auf ihre Lanze stützt
und in der Linken einen Schild hält (vgl. Nr. 11). Der rechte
Krieger der Seite d ist der Szene entnommen, in der Krieger ihre
büße und Lanzen auf die am Boden liegenden Amoriter-Könige
setzen (Josua X, Vers 24)- Das bessere Vorbild als der Rotulus bietet
in diesem Falle die Darstellung des cod. Vat. grec. 746 auf fol. 453.
(II Rotulo, Taf. F, 1.) Schließlich sei noch der seitenverkehrt dar-
gestellte, mit der Linken zum Schlage ausholende Krieger er-
wähnt (e), der ähnlich in der Darstellung des Kampfes gegen die
Männer von Ai vorkommt (11 Rotulo, laf. X). Außer den Josua-
gestalten kommen nur noch zwei verschiedene Heraklesdarstel-
lungen vor: dreimal wiederholt sich der Kampf mit dem nemeischen
Löwen, zweimal der trauernde Herakles, der auf dem fellbedeck-
ten Korb sitzt und den Kopf auf den linken Arm stützt. In der
Kampfszene steht er aufrech t da und preßt mit seinem linken Arm
den Kopf des ihn anspringenden Löwen an sich. Das \ orbild zu
dieser Darstellung ist in einem griechischen Werk strengen Stils
zu suchen (vgl. schwarzfigurige Vase, Baumeister I S. 655), im
Gegensatz zu der später häufigeren hellenistischen Fassung dieses
Themas, wie sie beispielsweise auf Nr. 26 d vorkommt. Auf einer
dieser Darstellungen (b) bekommt Herakles den Helm eines Josua-
kriegers. In dem ausruhenden Herakles hat schon Graeven sehr
richtig eine Nachbildung jenes Herakles des Lysipp gesehen, der
noch in mittelbyzantinischer Zeit im Hippodrom zu Konstantinopel
gestanden hat. Die Art und Weise, wie das angezogene linke Bein
unglücklich in die Fläche projiziert ist, läßt durchaus an eine unge-
schickte Übertragung des Schnitzers aus der Rundskulptur denken.
Die Rosettenbänder, die sich um die Platten herumziehen, enthal-
ten durchgehend einfache Rauten-Rosetten und gegliederte Eck-
blätter. Der Schnitzer gibt die Figuren in lebendigen, sinnfälligen
Bewegungen, doch sind die Figuren in ihren Proportionen sehr
nachlässig gezeichnet. Die Gesichtsbildung ist oft grob und un-
gleichmäßig bei den einzelnen Figuren, doch sind die Unterschiede
nicht so, daß man mehrere Hände annehmen müßte.
Literatur: E. Aus’m Weerth, Kunstdenkmäler des christl. Mittelalters in den
Rheinlanden i85;, S. 87, Taf. XVII, 2. Westwood, Fictile Ivories 1876, S. 476.
Lindenschmidt, Handbuch der deutschen Altertumskunde 1880, Bd. I, S. 266.
G. Schlumberger, Nicephore Phocas 1890, S. 17A Giemen, Kunstdenkmäler der
Rheinprovinz Bd. III, 1891, S. i3i. Schneider, Serta Harteliana 1896, Nr. 38. Mo-
linier, Les Ivoires 1896, S. 87. Graeven im Österr. Jahrb. Bd. XX, 1899, Nr. 38, in
der L’Arte II S. 3o5 Anm. 1 und im Bonner Jahrb. 1902, Heft 108/109, S. 258,
laf. IX. Katalog der Düsseldorfer Ausstellung 1902, ^r- 72^- Furtwängler, in den
Sitzungsberichten der Bayr. Akademie. Philosoph. Klasse 1902. Dalton, Byzantine
art and archaeologv 191 I, S. 216. Volbach, Elfenbeine der Spätantike und des
frühen Mittelalters 1916, S. 71.
1 I • PLATTE EINES KASTENS. TAFEL III
Josuakrieger.
N. Jahrhundert.
Auxerre, Musee de la ville (Fonds de la Ville Nr. 1).
Höhe ca. 5,5 cm, Breite ca. 4,2 cm. In den Ecken Bohrlöcher.
Breitbeinig stehender Krieger stützt sich mit der Rechten auf seine
Lanze. Dem Typ nach gehört er zu den Kriegern aus der Josua-

geschichte, doch läßt sich eine bestimmte Szene nicht nachweisen.
Gehört zu einem Kasten im Stil des Xantener (Nr. 10).
Literatur: Catalogue du Musee d’Auxerre .1872.
I 2 a-e. KASTEN MIT SCHIEBEDECKEL. T AFEL VI
Krieger und mythologische Figuren.
X. bis XI. J ah r h undert.
New York, Metropolitan Museum (17. 190. 237).
Höhe 1 1,1 cm, Länge 43,5 cm, Breite 17,5 cm. Der Kasten zeigt einen hervor-
ragenden Erhaltungszustand, nur einige Füllstäbe sind moderne Gipsergänzung.
Auf der rechten Kurzseite (d) befindet sich eine silberne Schloßplatte in niellierter
Zeichnung mit einem Vogelpaar, das an Zweigen pickt. Sie ist eine abendländische,
wahrscheinlich angelsächsische oder nordfranzösische Arbeit des XI. bis XII. Jahr-
hunderts, und zwar ist das Schlüsselloch bei der Zeichnung schon berück-
sichtigt, die Schnappöffnung dagegen erst in das Ornament hineingeschnitten.
Es ist ungewiß, ob vorher schon ein anderes Schloß dieselbe Stelle ausgefüllt hat,
sicher ist nur, daß diese Kastenseite mit ihren schmalen Platten von vornherein
die Anbringung eines Schlosses berücksichtigt. Manches spricht dafür, daß ein
altes Schloß nicht zur Ausführung gekommen ist, denn einmal fehlt auf dem
Deckel jede Befestigungsspur für einen Schloßhaken und ferner befinden sich
glatte Rundfelder auf den Rosettenstreifen zwischen den Deckelplatten, die ge-
arbeitet sind für die Anbringung eines Deckelgriffs, der ebenfalls nicht zur Aus-
führung kam. Der Holzkern scheint alt zu sein; neu ist nur der Boden. Früher in
der katholischen Pfarrkirche in Cranenburg bei Cleve. Sammlung Pierpont Mor-
gan, New York.
In den drei wagerechten Platten des Deckels (a) sind galoppierende
Reiter dargestellt, einer nach links, zwei nach rechts, die in der einen
Hand die Zügel halten und in der anderen eine Lanze. Der dritte
trägt den typischen Helm der Josuakrieger und seine Tunika läßt
deutlich die Umwandlung aus einem Panzer erkennen. Ein vierter
Beiter (b), in einen Kettenpanzer gekleidet, stützt sich mit der
Rechten auf seine Lanze und tritt mit einem Bein in den Steigbügel,
um sich aufs Pferd zu schwingen. Alle zeigen die übliche auf Mi-
niaturen weisende Andeutung des Schuhwerks und stehen den
Reitern des Josuarotulus sehr nahe (II Rotulo, Taf. I und XIII),
obgleich sich nicht einer von ihnen in eine bestimmte Szene ein-
gliedern läßt, was entweder mit der Lückenhaftigkeit des Rotulus
oder mit einer Umbildung der Typen durch den Schnitzer Zusam-
menhängen kann. Auf eine bestimmte Josuaszene geht der Krie-
ger zurück, der die Rechte auf den Schildrand legt und mit der
Linken die Lanze faßt (b): es ist —im Gegensinn — einer der hinter
Josua stehenden Krieger beim Empfang der Gabaoniter-Gesandten
(11 Rotulo, Taf. XI). Der thronende Josua (c) aus der Szene, in der
er Männer ausschickt gen Ai (Josua VII, Vers 2), hat die meisten
Einzelheiten des Miniaturvorbildes bewahrt (11 Rotulo, Taf. VI),
nur der Thron mit hoher Rückenlehne ist eine Zutat des Schnitzers.
Der rechte Krieger der Seite d, der zu einem Schwerthieb ausholt
und sich mit seinem Schilde deckt, kommt ähnlich in der Szene
des Kampfes gegen die Männer von Ai vor (II Rotulo, Taf. X). Bei
drei Kriegern der Seite c, von denen der eine in Tunika mit Schild
und Schwert kämpft, der zweite in Exomis mit Speer und Schild
und der dritte in Himation mit Schwert und Schild, ist die Ablei-
tung entweder aus einer Josuaszene oder aus einer antiken Kampf-
darstellung nicht mehr festzustellen. Zwei weitere Krieger (d, e)
tragen weite Pumphosen und hohe Melonenhelme, die auf orienta-
lischen Einfluß deuten (vgl. den Krieger einer orientalischen Silber-
schale, Smirnow Nr. 3o6). Ein orientalisches Motiv ist auch der Tän-
zer (e) mit einem Gewände, dessen Ärmel über die Hände hinaus-
gehen. Solche Ärmeltänzer finden sich z. B. auf den Kanonestafeln
einer byzantinischen Handschrift in Venedig (cod. Marc. grec. 54o)
in Verbindung mit einer sie begleitenden lautespielenden Figur. Die
übrigen Platten lassen sich mit mehr oder weniger großer Sicher-
heit auf antike Vorbilder zurückführen. Die erste Platte der Vorder-
seite (b) stellt einen Silen dar, der um die linke Schulter und Hüfte
ein Himation geschlungen hat, das vom ausgestreckten linken Arm
hochgenommen wird. Die gesenkte Rechte hält eine Traube (vgl. Re-
lief im Louvre, Reinach, Stat. Taf. 107). Die Kugel in der Linken ist
als Reduktion einer Schale mit Früchten zu deuten. Der bärtige Krie-
 
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