Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Goldschmidt, Adolph; Weitzmann, Kurt; Goldschmidt, Adolph [Editor]; Weitzmann, Kurt [Editor]
Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des X. - XIII. Jahrhunderts (Band 1): Kästen — Berlin: Bruno Cassirer, 1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.53146#0070
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ö2

GOLDSCHMIDT

an der ursprünglichen Stelle. Vollkommen willkürlich mutet die Verteilung der
Ornamentstreifen an. Wahrscheinlich zog sich um alle vier Seiten der figürlichen
Platten jene Wellenranke mit Halbblättern. Die verhältnismäßig dünnen Platten
sind in einem sehr schadhaften Zustande: teils sind licken herausgebrochen, teils
gehen Sprünge durch die Platten, teils haben sie sich gewellt, so daß eine dicke Gips-
und Leimschicht zwischen Belag und Holzkern zur Füllung benutzt werden mußte.
In einem Ornamentstreifen haben sich kleine Reste von Vergoldung erhalten.
Die Deckelplatte (a) stellt die Benennung der Tiere durch Adam
dar, der auf einem Felsen in reicher Baumlandschaft sitzt. Die Tiere
sind in zwei Reihen zu je dreien aufgereiht: in der vorderen Reihe
Löwe,Elefant und Greif,in der hinteren Eber,Nashorn und Panther.
Die Tiere sind eine Auswahl aus der großen Schar, die die Okta-
teuche zeigen (vgl. Hesseling, Nr. 18). Nach jetzt fehlenden Dar-
stellungen der Evaschöpfung und des Sündenfalles folgt auf b die
Illustrierung des Geheißes Gottes zur Arbeit (Genesis III, Vers 19
bis 21): Adam und Eva sitzen trauernd in Felle gekleidet in der
durch Bäume veranschaulichten Paradieseslandschaft. Vor ihnen die
Paradiesespforte, aus der sie bald herausgetrieben werden sollen.
Nach der fehlenden Vertreibungsszene folgt die Beackerung des
Landes mit einem Ochsengespann (c). Adam ist ungeschickt auf
die Pflugschar gestellt. In Anlehnung an die Paradiesesszenen ist
aus dekorativen Gründen die Landschaft beibehalten worden. Die
Brudermordszene (e) zeigt in gedrängter Komposition die beiden
Figuren voreinander statt in friesartigem Nebeneinander, wodurch
das Motiv des Steinwerfens unklar wird (vgl. Hesseling, Nr. 24).
Die fünfte Platte (d) zeigt Kain, der von Gottvater zur Rede gestellt
wird. Gottvater ist im Gegensatz zu den Oktateuchdarstellungen
(vgl. Hesseling, Nr. 25) als Christus dargestellt in demselben Typ,
wie ihn die Szene des Anrufes Adam und Evas wiedergibt. Die für
diese Gruppe von Elfenbeinen typische Wellenranke mit umge-
legter Blatthälfte ist dadurch vereinfacht, daß die beiden Blatthälf-
ten zu einem Halbblatt verschmolzen sind. Der Kasten ist roh im
Schnitt, doch zeigt er alle wesentlichen Stihnerkmale der Krakauer
Platte Nr. 115 (vgl. die beiden Christusfiguren). Kain und Abel (e)
lassen noch deutlich jenen flachen Rillenfaltenstil erkennen, der
typisch für die frühen Adam-und-Eva-Kästen ist (vgl. Nr. 67—69).
Literatur: Westwood, Fictile Ivories 1876, S. 9-43, Nr. (>72—677.

zieht sich ein Friesstreifen in Hufeisenform, dessen Endigungen
rechteckige Felder mit zwei einander zugekehrten Reitern ent-

halten (vgl. Nr. 42). Der übrige Fries ist an den gerundeten Ecken
wiederum durch zwei Reiter gegliedert, von denen der rechte ein

Horn bläst und auf der Hand einen Falken trägt, der linke mit
Lanze und Schild auf einen von Hunden angefallenen Eber losgeht.

Auf den Seiten sind in symme-
trischer Anordnung jedesmal
zwei Hunde dargestellt, die
einen Hasen verfolgen (vgl. Nr.
5yb), und ein Löwe, der auf
den Rücken eines Hirsches ge-
sprungen ist. Um die Seiten
des Kastens läuft, begleitet von
einem Astragal, jene Wellen-
ranke mit umgeschlagenen Blät-
tern, die auf den in der Zu-
sammenfassung S. 2 1 genannten
Hörnern wiederkehrt. Gegen-
über der Platte Nr. ii5 und
dem Kasten Nr. 118, die eine
enge Beziehung zur älteren
Adam-und-Eva-Gruppe zeigen,
macht sich bei dem Mainzer
Stück in der Körperauffassung


Abb. 36. Türfeld der Barisanustür in Monreale.

eine stärkere Beziehung zur jüngeren Adam-und-Eva-Gruppe be-
merkbar in der rundplastischen und strukturlosen Körperbildung,
die es liebt, den Körpern eine rundliche zylindrische Form zu

geben. Daneben zeigt sich aber in den streng symmetrischen Rei-
tern derselbe orientalische Einfluß wie in der Londoner Reiter-

platte Nr. 42.

Literatur: Westwood, Fictile Ivories 1876, S. 456.

i 20. (= 85b) PLATTE EINES KASTENS. TAFEL LXVII
J ä g e r.
XII. Jahr hundert.
Lyon, Schatz der Kathedrale.

I 19 a-b. TASCHENFÖRMIGER KASTEN. TAFEL LXVII
Reiter- und Jagdszenen.
XII. Jahrhundert.
Mainz, Altertums-M useum.
Höhe 13,5 cm, Breite am oberen Rande 14 cm, größte Breite 16 cm, Dicke 3,9 cm.
Elfenbein aus einem Stück. Auf der Rückseite war in einem Falz ein Deckel ein-
gelassen, der jetzt fehlt.

Abb. 35. Schema des Querschnittes.


Die Oberfläche ist sehr abgerieben und zeigt starke Rißbildung und Absplitte-
rungen.
Das Mittelfeld des Reliefs nimmt ein gepanzerter Reiter ein, der
in der Linken einen Schild hält, in der Rechten eine Lanze, mit
der er einen auf dem Boden sich ringelnden Drachen durch-
stößt. Die Barisanustür in Monreale zeigt unter den Einzelfeldern,
die teilweise nach byzantinischen Vorbildern gearbeitet sind und
griechische Beischriften tragen, einen ganz ähnlichen Reiter, der
sicherlich nach einem ähnlichen Elfenbein gearbeitet ist und die
Beischrift „Georg“ trägt (Abb. 36). Es könnte also auch ein Georg
auf unserem Elfenbein gemeint sein. Um drei Seiten des Mittelfeldes

Die Platte ist zur Dekoration eines Kastens verwandt worden, zu dem sie ihrem
Stile nach nicht gehört. Sie zeigt starke Abreibungen.
Dargestellt ist ein Jäger zwischen Bäumen mit gefällter Lanze
aus einem Jagdfriese, wie ihn das Berliner Horn zeigt (Volbach,
Kat. Nr. 586). Mißverstanden ist die über das linke Bein zu weit
herabfallende Tunika, ferner die Kopfbedeckung und der Schild
im Hintergründe, der zwar zur Figur gedacht ist, doch von ihr
nicht gehalten werden kann. Ein Schild derselben Form, in ähn-
lich dekorativer Weise ist hinter dem Reiter der Platte Nr. 119
ausgebreitet. Mit dem oben zitierten Berliner Horn besteht eine
Stil Verwandtschaft in der flüchtigen kerbschnittartigen Gewand-
behandlung und den am Rande sich hochziehenden Bäumen.
Literatur: Vgl. Nr. 85.
i 2 I. SEITE EINES KASTENS. TAFEL LXX
Tiere und Kentauren.
XII. Jah r h u ndert. Italien.
Berlin, Kaiser Friedrich Museum (I. 9401).
Höhe 6,7 cm, Länge 22,5 cm. Die Platte bildete die Seitenwand eines Kastens
und scheint, obwohl sie aus einem Stück gearbeitet ist, auf Holz montiert gewesen
zu sein, da sie zahlreiche Bohrlöcher im Grunde der Tierfelder zeigt. Die linke
und rechte Seite sind nach der Rückseite zu abgeschrägt, so daß ebenso abge-
schrägte Kurzseiten im rechten Winkel ansetzen konnten. Verbunden waren die
Seiten durch über Eck geschlagene Elfenbeinstifte, die noch in den Löchern sitzen.
Am oberen und unteren Rande ist die Rückseite glatt vertieft. An den Stellen des
Frieses, die glatt geblieben sind, saßen Metallbänder zur Verbindung der Seiten
und des Bodens. Wie die glatten Stellen am oberen Ornamentstreifen zeigen,
handelt es sich um eine Rückseitenplatte, da hier Rückseitenscharniere gesessen
 
Annotationen