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— 139 —

che Religion den höhern Lichtpunkt, welcher dem Leben
des deutschen Volkes im. Mittelalter seine tiefere Weihe und
Erhebung gewährte und selbst der Dichtkunst eine bisher unbe-
kannte Quelle des reichhaltigsten Stoffes eröffnete. — Ein Glaube’,
auf der grofsen geschichtlichen Thatsache beruhend, dafs die
Gottheit selber in der Zeiten Fülle in Knechtsgestalt mitten un-
ter den Menschen erschienen , um sie selig zu machen und zu
einem ewigen Leben zu erziehen , mufste auch die rohen Kräfte
der Titanen besiegen, vom eitlen Tand aller blos irdischen Be-
strebung sie lebendig” überzeugen und auf jenes geistige Hel-
denthum sie aufmerksam machen , worin der Held , angewiesen,
gegen die Gewalt des Bösen in und aufser sich zu kämpfen,
als Sieger und Besiegter ‘in einer Person erscheinen und eine
unsterbliche Krone sich erwerben sollte. — Höher als Roland
einst, der mit der Grandiosa ganze Reihen Ungläubiger nie-
dermähte , erschien jetzt der Held, der gestärkt durch die
Gnade von oben die unbändige Naturkraft in sich selber über-
wand und die wahre Gröfse in der Erniedrigung seiner selbst
vor dem Höchsten suchte. Da nicht im Purpur der Cäsaren,
nicht mit dem Diadem der persischen Fürsten , sondern arm und
mit der Dornenkrone und dem Kreuze der Herr auf Erden er-
schienen , so wurden auch die Armuth und das Mifsgeschick
des Lebens zu königlichen Ehren erhoben , und wer freiwillig
diesen erhabenen Weg des Kreuzes wandelte, wurde glückli-
cher und gröfser gepriesen , als der alte Dietrich und die
Amelunger, als Artur und die Helden vom Niederland , welche
mitten in ihren Heldenzügen von den Gerichten Gottes erreicht
wurden. — Wohl wurde die treue Liebe:von Flore und Blan-
scheflore bewundert und besungen : allein die irdische Liebe
sollte jetzt zur göttlichen Liebe sich verklären, und wer ihre
Gluth in seinem Innern empfunden , gerne Vater, Mutter , Weib
und Kinder , ja alles , was ihm nur theuer war, verlassen, um
dem Dienste des Ewigen dies kurze Leben allein und ausschliefs-
lich zu weihen. — Dieser Glaube hat in der deutschen Natur
-die alte Sinnlichkeit gebrochen , und über den Gräbern der
alten Helden erstieg ein neuer Geist , der die tieferschülterten
 
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