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Auf einem von 4 durchbrochenen Ausläufern gestützten Fuße
ruht der Stamm des Ständers. Er ist als Säule ohne Basis
gebildet und mit geflechtartig verschlungenen Bändern umspon-
nen, Das Kapitell endigt in einem tellerförmigen drehbaren
Abakus, auf dem 2 stehende und 2 liegende Figuren im Vier-
eck angebracht sind: die 4 Evangelisten in altchristlicher
Weise symbolisiert: Matthäus als geflügelter Mensch und Jo-
hannes mit Adlerkopf, Markus und Lukas als ruhender Löwe
und Stier. Die Gestalten, deren Namen, wie auf gleichzeitigen
Gemälden, in den Nimben geschrieben stehen, sind als Karya-
tiden verwendet. Sie tragen die schräggestellte rechteckige
Pultplatte (Größe: 0,515 : 0,37 m), deren untere Fläche goti-
sches Maßwerk ziert. Am oberen Rand hat Syrlin eigenhändig
Jahreszahl und Namen eingeritzt. Das ganze Gerät besitzt eine
Höhe von 1,40 m. Die natürliche Holzfarbe scheint ursprüng-
lich. Reste etwaiger Bemalung lassen sich nicht nachweisen.
Die originelle und geschickte Komposition1 verrät den zu-
künftigen Meister. Die Ausführung der Details ist indessen
noch steif und unbeholfen. Das spröde Material widersteht
einer freieren und schwungvolleren Formengebung 2.
1 Sing- oder Lesepulte sind in romanischer Zeit gewöhnlich aus Erz
als Adler mit ausgebreiteten Flügeln gebildet. Solche Geräte haben sich
erhalten z. B. in: Halberstadt (Dom). Dortmund (Reinholdikirche),
Paris (Cluny-Museum), Venedig (Museo civico Correr) [in letzterem :
zweiköpfiger Adler].
Die gotische Epoche bevorzugt steinerne und hölzerne Lesepulte. Stein-
arbeiten dieser Art, Chorknaben darstellend finden sich z. B. in den Domen
zu Naumburg und Würzburg. Hölzerne Geräte in schwerem kastell-
artigem Aufbau bergen das Museum zu Lübeck und das Kunstgewerbe-
museum zu Berlin. Leichten Aufbau zeigt ein hölzerner Adler auf gotisch-
verziertem Fuß im Germanischen Museum zu Nürnberg. Am nächsten
kommen Syrlins Arbeit zwei Notenständer im Dom von Roeskilde
(Dänemark), wo ein geflügelter Löwe und ein Engel als Karyatiden unter
schräger Pultplatte verwendet sind.
^ Trotzdem liegt kein zwingender Grund vor zu Stadlers Annahme,
daß wir gerade in diesem Singpult Syrlins «erste Arbeit in Eichenholz»
vor uns haben (vgl Stadlers Abhandlg., S. 186). Noch weniger ermöglichen
die starkbeschädigten kleinen Bildwerke daran eine Stilunterscheidung,
die zu der von Stadler unternommenen Identifizierung des älteren Syrlin
mit einem von Multschers Gesellen führen könnte. (Vgl a. Marie Schuette:
«Der schwäbische Schnitzaltar», Nachtrag S. 253. Studien z. d. Kunscgesch.,
Heft 91.
Wenn Stadler ferner die derben und plumpen Büsten der Bischöfe
Cassian und Nikolaus von Bari (jetzt auf dem Altar der Margarethenkirche
Auf einem von 4 durchbrochenen Ausläufern gestützten Fuße
ruht der Stamm des Ständers. Er ist als Säule ohne Basis
gebildet und mit geflechtartig verschlungenen Bändern umspon-
nen, Das Kapitell endigt in einem tellerförmigen drehbaren
Abakus, auf dem 2 stehende und 2 liegende Figuren im Vier-
eck angebracht sind: die 4 Evangelisten in altchristlicher
Weise symbolisiert: Matthäus als geflügelter Mensch und Jo-
hannes mit Adlerkopf, Markus und Lukas als ruhender Löwe
und Stier. Die Gestalten, deren Namen, wie auf gleichzeitigen
Gemälden, in den Nimben geschrieben stehen, sind als Karya-
tiden verwendet. Sie tragen die schräggestellte rechteckige
Pultplatte (Größe: 0,515 : 0,37 m), deren untere Fläche goti-
sches Maßwerk ziert. Am oberen Rand hat Syrlin eigenhändig
Jahreszahl und Namen eingeritzt. Das ganze Gerät besitzt eine
Höhe von 1,40 m. Die natürliche Holzfarbe scheint ursprüng-
lich. Reste etwaiger Bemalung lassen sich nicht nachweisen.
Die originelle und geschickte Komposition1 verrät den zu-
künftigen Meister. Die Ausführung der Details ist indessen
noch steif und unbeholfen. Das spröde Material widersteht
einer freieren und schwungvolleren Formengebung 2.
1 Sing- oder Lesepulte sind in romanischer Zeit gewöhnlich aus Erz
als Adler mit ausgebreiteten Flügeln gebildet. Solche Geräte haben sich
erhalten z. B. in: Halberstadt (Dom). Dortmund (Reinholdikirche),
Paris (Cluny-Museum), Venedig (Museo civico Correr) [in letzterem :
zweiköpfiger Adler].
Die gotische Epoche bevorzugt steinerne und hölzerne Lesepulte. Stein-
arbeiten dieser Art, Chorknaben darstellend finden sich z. B. in den Domen
zu Naumburg und Würzburg. Hölzerne Geräte in schwerem kastell-
artigem Aufbau bergen das Museum zu Lübeck und das Kunstgewerbe-
museum zu Berlin. Leichten Aufbau zeigt ein hölzerner Adler auf gotisch-
verziertem Fuß im Germanischen Museum zu Nürnberg. Am nächsten
kommen Syrlins Arbeit zwei Notenständer im Dom von Roeskilde
(Dänemark), wo ein geflügelter Löwe und ein Engel als Karyatiden unter
schräger Pultplatte verwendet sind.
^ Trotzdem liegt kein zwingender Grund vor zu Stadlers Annahme,
daß wir gerade in diesem Singpult Syrlins «erste Arbeit in Eichenholz»
vor uns haben (vgl Stadlers Abhandlg., S. 186). Noch weniger ermöglichen
die starkbeschädigten kleinen Bildwerke daran eine Stilunterscheidung,
die zu der von Stadler unternommenen Identifizierung des älteren Syrlin
mit einem von Multschers Gesellen führen könnte. (Vgl a. Marie Schuette:
«Der schwäbische Schnitzaltar», Nachtrag S. 253. Studien z. d. Kunscgesch.,
Heft 91.
Wenn Stadler ferner die derben und plumpen Büsten der Bischöfe
Cassian und Nikolaus von Bari (jetzt auf dem Altar der Margarethenkirche