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Grill, Erich
Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin D. Ä. und seine Schule: ein Beitrag zur Geschichte der schwäbischen Plastik am Ausgang des Mittelalters — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 21: Strassburg: Heitz, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.73234#0087
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73 -

Bisher wurde dieses Monument allgemein unter die Werke
des älteren Jörg Syrlin gerechnet, ohne daß eine andere Be-
gründung dafür gegeben wäre, als die: er sei um diese Zeit
noch am Leben gewesen1. Demgegenüber ist geltend zu
machen, daß die äußerst geringe Qualität der Arbeit vielmehr
auf einen Anfänger, als auf die letzte Tätigkeit eines alternden
Künstlers weist. Man betrachte die rohen und derben Gesichts-
züge des Ritters, die ja nicht einem lebenden Modell nachgebildet
werden konnten, da der Dargestellte schon 1459 gestorben war.
Man beobachte ferner die ungeschickte Anbringung der Figur,
bei der nicht zu ermitteln ist, ob sie liegt oder steht. Und
endlich muß als besonders verunglückt bezeichnet werden: die
unorganische Gestaltung der Hüftengegend, in der die in den
Knieen stark eingeknickten Beine schlecht angesetzt sind.
Wenn wir zum Vergleiche eine Skulptur Riemenschneiders
heranziehen, bei der es sich um die Lösung einer verwandten
Aufgabe handelt, so geschieht das, um die großen Mängel des
Oberstadioner Reliefs noch mehr zu verdeutlichen. Wir denken
an das Grabmal des Ritters Konrad v. Schaumburg (f 1499)
in der Marienkapelle zu Würzburg2, dessen Entstehung nur
etwa elf Jahre später fällt. Dem hier zu Tage tretenden feinen
plastischen Empfinden hätte Jörg Syrlin d. Aelt., der mit seinem
späten Schaffen der Kunstanschauung seiner Tage weit voraus
eilte, ähnlich hohe Werte entgegensetzen können. Wir stehen
also nicht an, die Ausführung der Grabplatte des Hans von
Stadion für seinen Sohn in Anspruch zu nehmen3.
IV. Das Blaubeurer Chorgestühl (Eichenholz dunkel ge-
beizt; zweireihig)' bedeutet gegen das Ulmer einen Rückschritt

1 Die Vermutung, das Grabmal könnte auch von dem jüngeren Sürlin
verfertigt sein, finde ich zum ersten Mal im «Archiv für christliche Kunst»
(Jahrg. 1893, Nr. 4. S. 38) ausgesprochen von einem Amtsrichter a. D.
Beck, auf dessen durchaus unwissenschaftliche Ausführungen über «Ver-
schwundene und verschollene Altar- und Schnitzwerke Jörg Siirlins des
Jüngeren» näher einzugehen, ich im übrigen keine Veranlassung sehe.

2 Abb. Sauerlandt: «Deutsche Plastik». S. 76.

3 Auch hier spricht die Signatur (surlin) für unsere Zuschreibung.
Inzwischen hat auch Swarzenski diese Ansicht ausgesprochen: s. «Hessen-
kunst 1910», S. 3, Anmkg 1.

4 Vgl. Karl Baur: «Das Kloster zu Blaubeuren» (Ein Führer. Kunst-
freunden und Fremden gewidmet, 1877. — Bach und Baur: «Der Hoch-
 
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