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Grill, Erich
Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin D. Ä. und seine Schule: ein Beitrag zur Geschichte der schwäbischen Plastik am Ausgang des Mittelalters — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 21: Strassburg: Heitz, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.73234#0029
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— 15 —

vermitteln den Zusammenhang zwischen je zwei Flügeln. Da
diese nicht die ganze Füllung zwischen der Umrahmung ein-
nehmen, bleiben seitlich glatte Streifen übrig, die mit je einem
Intarsienband (1 cm breit), in hellbraun und schwarz, ge-
schmückt sind. — Dem oberen Fries entsprechen auf den
Seitenwänden zwei Spruchbänder. Darauf befinden sich in
gotischen Minuskeln folgende Inschriften : auf der linken Schrank-
seite: «0 weit gyt bös gelt», auf der rechten: «Ihs xps»
(Jesus Christus) «maria» «1465» und auf der ersten Zeile
nebenan «Syrlin». Die Buchstaben sind in das Holz einge-
schnitten und rot gefaßt, die Initialen und der Name Syrlin
blau. —
Auf dem Mittelfries der Vorderwand, der sich auf den
Schmalseiten fortsetzt, ist an drei Stellen das Wappen der Fa-
milie Gienger (eine Beilhaue)1 in den Schild geschnitten, da-
gegen das v. Lupin'sche Wappen (ein Wolf) aufgemalt2. Diese
verschiedene Behandlung der heraldischen Signatur läßt ver-
muten, daß der Schrank ursprünglich Gienger'sches Eigentum
gewesen und erst später in den Besitz derer von Lupin gekom-
men ist. Da nun ein Matthäus II. von Lupin die Tochter des
Hans Gienger heiratete, welcher nachweislich 1473—1487 Kir-
chenbaupfleger des Ulmer Münsters war, so liegt der Schluß
nahe, daß Letzterer das kostbare Stück gotischen Hausrates
bei Syrlin bestellte und der jungen Frau als Aussteuer mit in
die Ehe gab.
Vielleicht war die gediegene Ausführung, gerade dieser
Arbeit Syrlins, mitbestimmend für die Heranziehung des Künst-
lers zu größeren Aufgaben, wie sie die Innenausstattung des
Ulmer Münsters mit sich brachte.
Als die Frage zum ersten Mal aufgetaucht sein mag, wem
ein solcher Auftrag zu erteilen sei, lebt zwar Ilans Multscher
noch in Ulm. Aber er ist ein alter Mann und wird sich nach
Ruhe gesehnt haben. Auch dürfte eine Tätigkeit, die in erster

1 Vgl. das Wappen der Gienger von Wolfseck. «Siebmachers Wappen-
buch (in sechs Teilen, 1772)» I, 114, desgl. «Stammbuch des Adels in
Deutschland» II, 29.

2 Siehe Siebmachers Wappenbuch von 1772: V, 268 und Neuausgabe:
von Hefner 1856, Bd. II, T. 45, desgl. Stammbuch d. A. i. D. II, 389.
 
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