Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Grill, Erich
Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin D. Ä. und seine Schule: ein Beitrag zur Geschichte der schwäbischen Plastik am Ausgang des Mittelalters — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 21: Strassburg: Heitz, 1910

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.73234#0084
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
- 70

Mit seinem 15. Jahr dürfte die «Lossprechung» erfolgt und von
da an die zehnjährige Gesellenzeit zu rechnen sein. Im Alter
von 25 Jahren (also 1480) wird er die Heimat verlassen haben,
um sich auf eine zweijährige Wanderschaft zu begeben. Wohin
er seine Schritte lenkte, läßt sieh mit Bestimmtheit von ihm
ebensowenig sagen, wie von seinem Vater, der ja auch der
Wanderpflicht genügen mußte. Wenn ich aber eine Vermutung
aussprechen darf, so wäre es die: Beide möchten auf ihrer
Reise, dem Haupthandelsweg von Ulm gegen Süden folgend,
nach Venedig gelangt sein und hier, wie der junge Dürer im
Jahre 14951, die ersten großen Eindrücke empfangen haben.
Was sie von dort mitgebracht haben könnten, wäre, außer der
Intarsienkunst'2, die Vielseitigkeit und das freie Spiel der go-
tischen Ornamentik, die, ähnlich wie an an den Chorgestühlen
in Ulm und Blaubeuren, die Fassaden und Gesimse vene-
zianischer Paläste überspinnt 3. Gegen 1482 (also 27 Jahre alt)
muß Jörg Sürlin d. J. in die freie Reichsstadt an der Donau
zurückgekehrt und Meister geworden sein. Denn in diesem
Jahre erhält er seinen ersten selbständigen Auftrag. Damit
wäre auch erklärt, warum der Entwurf hierzu, der schon 1475
fertig vorliegt, so spät zur Ausführung kommt. Nun beginnt
ein ausgedehnter Werkstattbetrieb, der ihn häufig außerhalb
der heimischen Mauern führt. Da stirbt 1491 sein Vater und
1498 vermutlich die Mutter. Noch lebt eine Schwester, die mit
dem Schreiner Eberhard Holwegk verheiratet ist. Wahrscheinlich
hat er mit diesem Schwager, der sich bis 1514 nachweisen
läßt, zusammengearbeitet, als sich die Aufträge häuften. Nach
1521 ist sein Tod anzusetzen. Da man annehmen kann, daß
er verheiratet war4, so könnte man einen Sohn von ihm in
jenem Ludwig Sürlin erkennen, von dem ein Entwurf zu
einem Renaissance-Altar in der Ulmer Stadtbibliothek her-
rührt5.

1 Vgl. Wölfflin : «Die Kunst Albrecht Dürers», S. 3. a. a. 0.

Vgl. S. 37, Anmkg. 7.

3 Vgl. besonders die Cä d'oro (vollendet 1437).

4 Vgl. S. 7, Anmkg. 2.

5 Schwache Rötelzeichnung, bezeichnet: ludwig sürlin. Ohne Datum
(Stadtbibliothek Nr. 25.)
 
Annotationen