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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0051

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Arau von Dlfers.
Berlin, Weihnachten 1891.
Frau von Olfers ist gestorben. Sie ist über neunzig
Jahre alt geworden. Ihre letzten Worte waren, daß sie müde
sei und schlafen wolle. Müde hatte sie wohl Niemand je
gesehen. Vor wenig Wochen saß sie noch an ihrer gewohnten
Stelle mit einem frühlingsfrischen Schimmer. "Sie wollte
theilnehmen am Gespräch und genau wissen, was der Einzelne
sagte. Und wir Alle sprachen, als höre sie zu. Ihre lebendigen
Augen suchten zu ersetzen, was das Gehör zu versagen be-
gann. Sie fragte, was da und dort geäußert worden sei.
Sie bildete die regierende Mitte der Gesellschaft. Es lag
nichts Abgedanktes in ihrem Wesen. Sie fühlte sich souverän.
Sie sprach von der Schönheit der Natur. Wie sie aus innerster
Seele den Herbst genieße. Die Buntheit und Frische seines
Laubes. Sie ging durch die winterlichen Wege des Thier-
gartens rasch und freudig über die gefallenen Blätter hin.
Sie hatte ihr Theil daran wie die Kinder, die da spielten.
Sie umfaßte das sich bewegende Menschendasein. Es lag in
ihrer Natur, irgendwo ein stilles Eckchen zu haben, wo sie sich
als Kind empfand. Jeden Tag registrirte sie als ein unschätz-
bares Plus zuni allgemeinen Betrage. Sie wollte in sich
 
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