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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0061

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bösen Willen und absichtliches Mißverstehen, wie eine Neuig-
keit auffaßte, die zum ersten Male an ihn herantrat. Das
durchdringende Wohlwollen, das ihn erfüllte, stieß die Möglich-
keit solcher Erfahrungen wie ein Schreckgespenst vor ihm auf-
steigen. Er hat mit mir später darüber gesprochen, und die
Art, wie es geschah, war für mich eine neue Erfahrung.
Stein schien zu jenen Naturen gehören zu sollen, deren guten
Glauben das Schicksal zu schonen beabsichtigte. Ich sah, wie
Manche, denen sein wissenschaftliches Streben früher bedenklich
gewesen war, sich wie besiegt durch seine Persönlichkeit ihm
Zuwandten, so daß seine Laufbahn bald gesichert erschien.
Aber sie sollte abgebrochen werden.
Man spricht vom „Reichthume" der Natur, die in sicht-
barer Weise oft mit einem Ueberflusse von Schöpfungsformen
da operirt, wo es scheint, als ob sie mit geringerem Aufwande
ebenso weit gekommen wäre. Wozu diese Blüthenpracht der
Bäume von Frühling zu Frühling, da es doch unmöglich ist,
daß jede Blüthe zu einer Frucht werde?
Es sind nun schon viele Jahre verflossen, daß ein junger
Mann fortgenommen wurde, dessen ich hier gedenken will,
wie er mir oft im Gedächtnisse wieder aufgestiegen ist. Der
Graf Wolf von Dork-Wartenburg, einer der Enkel des Feld-
marschalls. Jeder, der ihn kannte, hatte das Gefühl, daß er
für eine besondere Laufbahn wohl bestimmt sei, so jung er
noch war. Er selbst schien es zu empfinden: es war ihm bei
aller Freude am Leben ein Ernst eigen, den die reichen Kennt-
nisse, die er besaß, natürlich erscheinen ließen. Sein Beruf
war nicht, in den Krieg zu ziehen, aber das Jahr 1870
führte ihn mit. Bei St. Privat wurde er durch die Brust
geschossen. Wozu so viel Talent und so hohe Ausbildung
 
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