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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0274

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gewählte Umgebung, deren er bedurfte, von selbst ergab.
Immer bewegte er sich auf den Höhen der Gesellschaft. Nie-
drigere aber zog er zu sich empor. Auf keine Anrede blieb er
die Antwort schuldig, und die Antwort gab der Anrede meist
höheren Inhalt. Einfluß hatten solche Antworten wohl kaum,
wiedererzählt aber klangen sie oft überraschend. Voltaire ist
der eigentliche Heros dieser Art zu reden gewesen. Es bedarf
der französischen Sprache dafür. In den Anfängen unseres
Jahrhunderts war der, heute historisch längst beinahe vergessene
Prince de Ligne unerschöpflich in überallhin weitergegebenen
Bonmots dieser Art, die unserer rauher gearteten Welt heute
inhaltslos und unnöthig klingen. In Liszt's Umgebung ath-
mete man dergleichen gern ein. Für ihn war es ein Be-
dürfniß, Leute um sich zu haben, die er belebte und unterhielt
und denen er die Hauptperson war. Niemals hat dieses freund-
liche Echo ihm gefehlt.
Befriedigt vom Geräusch des Tages und unbekümmert
um die Zukunft lebte er. Plötzlich war er eines Tages nicht
mehr da. Er war zu hohen Jahren gelangt. Nur Wenige
noch, die heute persönlich sich seiner erinnerten. Ich kann
Liszt's nicht gedenken, ohne daß das Gefühl seiner glanzvollen
Gegenwart mich überkommt, den Augenblick erfüllend, wohl-
thuend, Beifall erweckend. Ohne Respekt habe ich niemals von
Liszt reden hören. Und wenn ihm heute in Weimar, wie
man sagt, ein Denkmal errichtet werden soll, so entspringt der
Wille dazu gewiß der Dankbarkeit, die allen denen gebührt,
deren Dasein in Weimar eine Spur zurückgelassen hat. Liszt
hat sich immer als der Repräsentant des dortigen edleren
Daseins empfunden: als directer Nachfolger Goethe's, von
dessen Existenz er sich eine phantastische Vorstellung bildete.
 
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