- 94 -
V. DIE QUELLEN
Eines der zentralen Probleme der Erforschung mittelalterli-
cher Fachliteratur stellt die Frage nach der Herkunft des
verarbeiteten Stoffes und dem Anteil dar-, den der jeweilige
Autor an den vorliegenden Fassungen besitzt. Erst nach der
Klärung dieser Fragen zeigt sich uns die mittelalterliche
Literatur in ihren weitgespannten internationalen Verflech-
tungen in geistes- und literaturgeschichtlicher Hinsicht.
Auch unser Text wirft diese Fragen auf, und es wird deutlich,
wie lohnend der Versuch ihrer Beantwortung sein kann.
Was wir im vorangegangenen Kapitel zur Verfasserfrage auf-
grund allgemeiner Merkmale für wahrscheinlich angenommen ha-
ben, nämlich, daß der Verfasser der 'Ordnung der Gesundheit'
in gelehrten Kreisen zu suchen sei und vermutlich Physicus
war, findet nun im konkreten Falle Bestätigung und erfährt
weitere Klärung. Im Verlaufe der Quellenuntersuchung hat es
sich herausgestellt, daß der Verfasser nicht nur allgemeine
Kenntnisse der medizinischen Autoritäten hatte, sondern in
seiner Kompilation den Bildungskanon der medizinischen Fakul-
tät des Mittelalters spiegelt.
Es ist gelungen, für den Kern des Regimens, den res non
naturales-Teil, die lateinische Vorlage zu ermitteln, somit
unseres vermeintlichen Verfassers als Übersetzer des zweiten
Buches habhaft zu werden und die ursprünglich in lateinischer
Sprache abgefaßte Kompilation zeitlich einzuordnen. Darüber
hinaus wurde ihr Quellenwert für eine Reihe weiterer spätmit-
telalterlicher Regimina sanitatis erkannt; Das lateinische
Regimen sanitatis (= Urregimen) konnte als Quelle des für un-
sere Betrachtungsweise wesentlichen 'Sanitatis conservator'
Konrads von Eichstätt gefaßt, vor allem aber als unmittelbare
Vorlage für vier deutsche Regimina sanitatis des 14. und 15.
Jahrhunderts nachgewiesen werden, welche sich als selbständi-
ge Übersetzungen des Urregimens herausstellen sollten; neben
der 'Ordnung der Gesundheit' sind dies die 'Regel der Gesund-
V. DIE QUELLEN
Eines der zentralen Probleme der Erforschung mittelalterli-
cher Fachliteratur stellt die Frage nach der Herkunft des
verarbeiteten Stoffes und dem Anteil dar-, den der jeweilige
Autor an den vorliegenden Fassungen besitzt. Erst nach der
Klärung dieser Fragen zeigt sich uns die mittelalterliche
Literatur in ihren weitgespannten internationalen Verflech-
tungen in geistes- und literaturgeschichtlicher Hinsicht.
Auch unser Text wirft diese Fragen auf, und es wird deutlich,
wie lohnend der Versuch ihrer Beantwortung sein kann.
Was wir im vorangegangenen Kapitel zur Verfasserfrage auf-
grund allgemeiner Merkmale für wahrscheinlich angenommen ha-
ben, nämlich, daß der Verfasser der 'Ordnung der Gesundheit'
in gelehrten Kreisen zu suchen sei und vermutlich Physicus
war, findet nun im konkreten Falle Bestätigung und erfährt
weitere Klärung. Im Verlaufe der Quellenuntersuchung hat es
sich herausgestellt, daß der Verfasser nicht nur allgemeine
Kenntnisse der medizinischen Autoritäten hatte, sondern in
seiner Kompilation den Bildungskanon der medizinischen Fakul-
tät des Mittelalters spiegelt.
Es ist gelungen, für den Kern des Regimens, den res non
naturales-Teil, die lateinische Vorlage zu ermitteln, somit
unseres vermeintlichen Verfassers als Übersetzer des zweiten
Buches habhaft zu werden und die ursprünglich in lateinischer
Sprache abgefaßte Kompilation zeitlich einzuordnen. Darüber
hinaus wurde ihr Quellenwert für eine Reihe weiterer spätmit-
telalterlicher Regimina sanitatis erkannt; Das lateinische
Regimen sanitatis (= Urregimen) konnte als Quelle des für un-
sere Betrachtungsweise wesentlichen 'Sanitatis conservator'
Konrads von Eichstätt gefaßt, vor allem aber als unmittelbare
Vorlage für vier deutsche Regimina sanitatis des 14. und 15.
Jahrhunderts nachgewiesen werden, welche sich als selbständi-
ge Übersetzungen des Urregimens herausstellen sollten; neben
der 'Ordnung der Gesundheit' sind dies die 'Regel der Gesund-