ERSTER ABSCHNITT
Wesen und Begriff der Volkskunst
Das Wort Volkskunst gilt heute noch als vieldeutiger Sammel-
begriff für alles das, was nicht der hohen Kunst oder dem
höheren Kunsthandwerk angehört. Die beiden Begriffe Volk und
Kunst wirken darin zusammen und vermitteln zunächst eine mehr
gefühlsmäßige als logische Bestimmung. Die Schwierigkeit einer
Klarstellung kommt nicht so sehr von dem Begriff Kunst, wie von
dem Begriff Volk. Der Begriff Volk ist, auf künstlerische Leistungen
angewandt, schwer zu fassen, weil ja die verschiedenen Volksschich-
ten verschiedene Anteile am geistigen Werk einer Nation haben.
Nicht jeder Künstler ist ein Volkskünstler, und nicht jede Gestal-
tungsarbeit eines Volksgenossen ist ein Kunstwerk. Hier stehen
ästhetischer Wertbegriff und gesellschaftliche Bezeichnung einander
gegenüber. Die Klärung dieser Schwierigkeiten wird also zunächst
von einer Bestimmung des Begriffes Volk abhängen, dann aber auch
von einer Klärung des Begriffes Kunst.
Der Begriff Volk ist hierbei nicht ein politischer Begriff oder ein
sozialer, sondern ein biologischer. Er bedeutet für die volkskundliche
Auffassung, die hier maßgebend ist, nicht so sehr die Gesamtheit des
Volkes, als vielmehr die breite Grundschicht in Land und Stadt, aber
auch die Unterschichtigkeit in allen Schichten des Volkskörpers, wie
sie überlieferte Wirtschafts- und Gesellschaftsformen, Glaube und
Brauch, aber auch Rasse und Stammesart für jedes Einzelglied
der Volksgenossenschaft ergeben. Die Vertreter solcher zusammen-
fassenden volkstümlichen Eigenarten sind nicht die hervorragenden
Einzelpersönlichkeiten, sondern die Gruppenpersönlichkeiten. Ihre
Merkmale sind nicht die individuellen abweichenden Einzelerschei-
nungen, sondern die typischen übereinstimmenden Formen, in der sie
ihrer Eigenart Ausdruck verliehen haben, das Bauerntum in anderer
Form als das Stadtvolk, die Niedersachsen anders als die Bayern.
Dabei wird natürlich diejenige Volksschicht zum Hauptträger des
volkstümlichen Ausdrucks, die dem geschichtlichen Wechsel in Wirt-
schaft, Handel, Gesellschaft und Bildung am meisten entzogen ist:
das Bauern- und Landvolk, dessen Streben nicht so sehr auf immer
neue Erfindung und individuelle Gestaltung, sondern auf Bewahrung
und Fortführung altererbter und erprobter Werte gerichtet ist.
Wesen und Begriff der Volkskunst
Das Wort Volkskunst gilt heute noch als vieldeutiger Sammel-
begriff für alles das, was nicht der hohen Kunst oder dem
höheren Kunsthandwerk angehört. Die beiden Begriffe Volk und
Kunst wirken darin zusammen und vermitteln zunächst eine mehr
gefühlsmäßige als logische Bestimmung. Die Schwierigkeit einer
Klarstellung kommt nicht so sehr von dem Begriff Kunst, wie von
dem Begriff Volk. Der Begriff Volk ist, auf künstlerische Leistungen
angewandt, schwer zu fassen, weil ja die verschiedenen Volksschich-
ten verschiedene Anteile am geistigen Werk einer Nation haben.
Nicht jeder Künstler ist ein Volkskünstler, und nicht jede Gestal-
tungsarbeit eines Volksgenossen ist ein Kunstwerk. Hier stehen
ästhetischer Wertbegriff und gesellschaftliche Bezeichnung einander
gegenüber. Die Klärung dieser Schwierigkeiten wird also zunächst
von einer Bestimmung des Begriffes Volk abhängen, dann aber auch
von einer Klärung des Begriffes Kunst.
Der Begriff Volk ist hierbei nicht ein politischer Begriff oder ein
sozialer, sondern ein biologischer. Er bedeutet für die volkskundliche
Auffassung, die hier maßgebend ist, nicht so sehr die Gesamtheit des
Volkes, als vielmehr die breite Grundschicht in Land und Stadt, aber
auch die Unterschichtigkeit in allen Schichten des Volkskörpers, wie
sie überlieferte Wirtschafts- und Gesellschaftsformen, Glaube und
Brauch, aber auch Rasse und Stammesart für jedes Einzelglied
der Volksgenossenschaft ergeben. Die Vertreter solcher zusammen-
fassenden volkstümlichen Eigenarten sind nicht die hervorragenden
Einzelpersönlichkeiten, sondern die Gruppenpersönlichkeiten. Ihre
Merkmale sind nicht die individuellen abweichenden Einzelerschei-
nungen, sondern die typischen übereinstimmenden Formen, in der sie
ihrer Eigenart Ausdruck verliehen haben, das Bauerntum in anderer
Form als das Stadtvolk, die Niedersachsen anders als die Bayern.
Dabei wird natürlich diejenige Volksschicht zum Hauptträger des
volkstümlichen Ausdrucks, die dem geschichtlichen Wechsel in Wirt-
schaft, Handel, Gesellschaft und Bildung am meisten entzogen ist:
das Bauern- und Landvolk, dessen Streben nicht so sehr auf immer
neue Erfindung und individuelle Gestaltung, sondern auf Bewahrung
und Fortführung altererbter und erprobter Werte gerichtet ist.