ZWEITER ABSCHNITT
Volkskunst und Handwerk
Neben ihrer volkskundlichen und kunstwissenschaftlichen Be-
deutung hat die Volkskunst aber durch ihre Beschränkung auf
Hausarbeit und Handwerk und die damit verbundene Verarbeitung
der heimatlichen Werkstoffe auch eine große handwerkskundliche Be-
deutung. Die Handwerkskultur, die in den Dokumenten der Volks-
kunst sinnlich faßbarer Ausdruck wird, ist eine Synthese von volks-
tümlicher Überlieferung und volkstümlichem Können. Die Einheit
von Werkstoff und Formung, die in der Volkskunst so unmittelbar
naiv und wirksam zu uns spricht, geht auch auf ein ständig geschultes
Können zurück, das traditionsbildend und schöpferisch wirkt.
Unter diesem Gesichtspunkt zeigt die Volkskunst wieder andere
Zusammenhänge, Eigenschaften, welche die Beziehung zum Heimat-
boden und zu der werkmäßigen Entstehung und Verbreitung
erkennen lassen. Hierbei gibt die natürliche Gruppierung der Werk-
stoffe Unterscheidungsmöglichkeiten, die sowohl in der zeitlichen
vertikalen Lagerung als auch in der landschaftlichen horizontalen
Ausdehnung aufschlußreich sind.
Der älteste und beherrschende Werkstoff in der deutschen Volks-
kunst ist das Holz. Die älteste Kunst ist eine Holzkunst und geht
vom Wald aus; sie umfaßt das größte Gebiet handwerklicher Tätig-
keit, von der Zimmermannskunst bis zur Spielzeugschnitzerei, mit
einer Menge Begleithandwerken. Sie ist ein ausschließlich männliches
Gewerbe, die Werkzeuge sind einfach, von Axt und Messer bis zur
Drehbank. Die einfache Struktur des Werkstoffes erleichtert die
Verarbeitung und erlaubt eine außerordentliche Verwendungs-
möglichkeit. Von der Reichhaltigkeit der Holzarten und ihrer ver-
schiedenartigen Verwendung zeugt eine Untersuchung, die josef Blau
im Anwesen eines armen Häuslers im Böhmer Wald machte, wo er
27 Holzarten feststellte1. An das Holz schließt sich die Verarbeitung
von pflanzlichen (Weiden, Binsen, Hanf, Flachs, Mehl usw.) und von
tierischen Stoffen (Horn, Bein, Fell, Haar, Wachs usw.) an mit den
Handfertigkeiten der Flechterei, Weberei, Wirkerei, Formerei usw.
1 Josef Blau: Böhmerwälder Hausindustrie und Volkskunst, Prag 1917,
Bd. I, S.221.
Volkskunst und Handwerk
Neben ihrer volkskundlichen und kunstwissenschaftlichen Be-
deutung hat die Volkskunst aber durch ihre Beschränkung auf
Hausarbeit und Handwerk und die damit verbundene Verarbeitung
der heimatlichen Werkstoffe auch eine große handwerkskundliche Be-
deutung. Die Handwerkskultur, die in den Dokumenten der Volks-
kunst sinnlich faßbarer Ausdruck wird, ist eine Synthese von volks-
tümlicher Überlieferung und volkstümlichem Können. Die Einheit
von Werkstoff und Formung, die in der Volkskunst so unmittelbar
naiv und wirksam zu uns spricht, geht auch auf ein ständig geschultes
Können zurück, das traditionsbildend und schöpferisch wirkt.
Unter diesem Gesichtspunkt zeigt die Volkskunst wieder andere
Zusammenhänge, Eigenschaften, welche die Beziehung zum Heimat-
boden und zu der werkmäßigen Entstehung und Verbreitung
erkennen lassen. Hierbei gibt die natürliche Gruppierung der Werk-
stoffe Unterscheidungsmöglichkeiten, die sowohl in der zeitlichen
vertikalen Lagerung als auch in der landschaftlichen horizontalen
Ausdehnung aufschlußreich sind.
Der älteste und beherrschende Werkstoff in der deutschen Volks-
kunst ist das Holz. Die älteste Kunst ist eine Holzkunst und geht
vom Wald aus; sie umfaßt das größte Gebiet handwerklicher Tätig-
keit, von der Zimmermannskunst bis zur Spielzeugschnitzerei, mit
einer Menge Begleithandwerken. Sie ist ein ausschließlich männliches
Gewerbe, die Werkzeuge sind einfach, von Axt und Messer bis zur
Drehbank. Die einfache Struktur des Werkstoffes erleichtert die
Verarbeitung und erlaubt eine außerordentliche Verwendungs-
möglichkeit. Von der Reichhaltigkeit der Holzarten und ihrer ver-
schiedenartigen Verwendung zeugt eine Untersuchung, die josef Blau
im Anwesen eines armen Häuslers im Böhmer Wald machte, wo er
27 Holzarten feststellte1. An das Holz schließt sich die Verarbeitung
von pflanzlichen (Weiden, Binsen, Hanf, Flachs, Mehl usw.) und von
tierischen Stoffen (Horn, Bein, Fell, Haar, Wachs usw.) an mit den
Handfertigkeiten der Flechterei, Weberei, Wirkerei, Formerei usw.
1 Josef Blau: Böhmerwälder Hausindustrie und Volkskunst, Prag 1917,
Bd. I, S.221.