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Goldschmidt, Adolph; Hamann, Richard [Editor]
Die frühmittelalterlichen Bronzetüren (Band 2): Die Bronzetüren von Nowgorod und Gnesen — Marburg a. L., 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.41457#0030
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aber ganz andersartige Stäbe). Dagegen zeigen einige spätere russische Metalltüren
außen an der Kirche und innen an der Ikonostasis entsprechende runde Trennungs#
leisten wie die beiden Türen in Susdal, die Tür in Alexandrow und eine Innentür der
Sammlung Lischatschew, die ersteren auch eine ähnliche Schachtelung der Leisten.
Es mag sein, daß diese von den Nowgoroder Türen beeinflußt sind, während die
Darstellungen der Türfelder selbst einen völlig byzantinischen Charakter zeigen.
Die Stäbe in Verona sind auch von den übergreifenden flachen Randstreifen zur
Befestigung auf den Bildfeldern begleitet. Auch die Neigung zu einer einfachen
geschlossenen plastischen Form der Figuren bewegt sich in derselben Richtung, sie
geht sogar noch weiter, indem die plastischen Flächen noch einfacher gestaltet sind
und gelöste Teile im Kontur noch mehr gemieden werden, weshalb auch die Beine
meist durch lange Röcke verborgen bleiben. Daneben aber herrscht ein starkes Be*
dürfnis nach Räumlichkeit im Gegensatz zu Nowgorod. Ein großer Freiraum ist ge#
lassen und die Figuren sind in der Fläche verteilt, weniger zur ornamentalen Füllung,
als vielmehr um durch das Über# und Nebeneinander eine Verteilung im Raum
anzudeuten, wozu eine aus Ansicht und grundrißartiger Aufsicht zusammengesetzte
Architektur mitzuhelfen versucht. So hat diese Tür gleich der von Nowgorod nicht
mehr die byzantinisierenden Zeichnungsmotive wie in Hildesheim, aber im Gegen#
satz zu Nowgorod die Absicht zu verständlicher Rauminterpretation, sie hat wie die
Nowgoroder vereinfachte plastische Formen, aber nicht die plastische Gesamtgestaltung
wie diese.
Diese plastische Gesamtgestaltung äußert sich auch in der geschlossenen Gruppen#
bildung der Figuren, dem senkrechten Nebeneinander und den geringfügigen Über#
schneidungen. Dabei ist sie auf gleichmäßige Füllung bedacht, die überall bis an die
Grenzen der Platte geht1). Die Erzählung ist verhältnismäßig frei von ikonographi#
schem Zwang. Der Künstler denkt die Vorgänge selbständig durch und wirkt sachlich
klar, aber seine Kraft an optischer Interpretierung ist zu schwach, um seinen Vor#
Stellungen überzeugenden bildlichen Ausdruck zu geben. Er liebt die Beigabe schwe#
bender Engel (Tafel 17, 34, 37, 53, 55) trotz der Unfähigkeit, sie zu gestalten. Sein
Schönheitssinn versagt im Einzelnen, offenbart sich aber in der Gesamtwirkung.

') Richard Hamann hat in seinem Seminar (Marburger Jahrbuch f. Kunstwissenschaft, Bd. VI, Praktikumsberichte) auf
französische Beziehungen hingewiesen. So liegt in den Kämpfern auf der runden Zwischenleiste oben am rechten Türflügel
eine Ähnlichkeit mit französischen Säulenstatuen vor, ebenso in dem obersten Feld rechts mit den Darstellungen franzö-
sischer Tympana, und bei den kleinen Figuren des Holzträgers und des Musikanten kann man an Einzelgestalten aus
französischen Portalzyklen denken. Auch in dem statuarischen Charakter innerhalb der Szenen mag man auf Französisches
hinweisen. Bei allen diesen Beziehungen bleibt die Frage offen, wie weit sie direkter Natur oder schon durch anderweitige
Übertragung vermittelt sind. Das Letztere ist bei den jedenfalls sehr lockeren Übereinstimmungen das Wahrscheinlichere.

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