GNESEN
Die Überlieferung bringt über die Entstehung der Bronzetüren an der Südseite des
Domes von Gnesen mit der Darstellung des Lebens des hl. Adalbert, der „Porta aenea“
auch „aurea“, wie sie im 17. Jahrhundert genannt wird, verschiedene Nachrichten.
1595 heißt es, daß sie ursprünglich bei der Christianisierung Rußlands von Wladimir
dem Großen aus Cherson nach Kiew und von dort durch den Polenkönig Boleslav II.
im 11. Jahrhundert nach Gnesen gebracht worden sei1). Gegen die byzantinische Her?
kunft aus Cherson spricht nicht nur der Stil vollkommen, sondern auch der frühe
Zeitpunkt gegenüber den Daten des den Byzantinern ganz unbekannten Heiligen
(•}* * 997), abgesehen davon, daß diese Zurückführung von Kunstwerken auf Wladimir,
den ersten christlichen Herrscher der Russen und damit auf Cherson oder Korsun,
von wo das Christentum nach Rußland eingeführt wurde, eine stets beliebte Legende
ist. Die Türen von Nowgorod hießen ebenfalls „Korssunsche“ Türen.
Auch die Meinung Berndts2), daß Otto III. die Türen in Magdeburg hatte gießen
lassen, und vielleicht sogar von Bernward von Hildesheim, ist nicht zu verfechten.
Schon die Kostüme, wie die bischöfliche Mitra, schließen eine so frühe Entstehung
aus. Außerdem setzt Berndt nur den linken Flügel in diese Zeit und sieht den rechten
als Werk des 15. Jahrhunderts an, als Ersatz für einen vielleicht im 11. Jahrhundert
geraubten, so daß die Tür dann vierhundert Jahre nur aus einem Flügel bestanden hätte.
Eine andere Tradition sieht in Boleslav III. Schiefmund, dem 1102 bis 1138 in
Polen regierenden Herzog, den Stifter der Tür, und für die Richtigkeit dieser Über?
lieferung sprechen verschiedene Umstände. Dieser Fürst kam 1113 zur Sühne für die
Ermordung seines Bruders nach Gnesen zum Grabe des hl. Adalbert, schenkte einen
goldenen Schrein für die Reliquien des Heiligen und ließ Silbermünzen mit der Dar?
Stellung seiner eigenen Sühne und Absolution schlagen. Es ist nun sehr wahrscheinlich,
daß seiner Schenkfreudigkeit — es wird auch sonst seine Munificenz gegenüber dem
Dom erwähnt — ebenfalls die Bronzetüren zu verdanken sind. Umstände, wie das
Auffinden des Kopfes Adalberts in Gnesen im Jahre 1127 nach der Plünderung der
Stadt durch die Böhmen war dem Gedenken des Heiligen günstig, und der Stil des
Werkes bestätigt durchaus die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mit der Richtigkeit
dieser Tradition also kann man mit großer Wahrscheinlichkeit rechnen3).
Die beiden Türflügel sind je in einem Stück gegossen, zirka 2 cm dick. Sie sind
nicht ganz gleich groß, der linke 328 cm hoch und 84 cm breit, der rechte 323 cm
hoch und 83 cm breit. Auch ist die Metallmischung bei beiden eine verschiedene,
denn der Flügel rechts hat eine gelbere, mehr messingartige Färbung, ist also stärker
zinkhaltig als der linke, der dunkler und rötlicher, also mehr kupferhaltig erscheint.
Beide Flügel zeigten starke Gußfehler, auf die später noch eingegangen werden wird
(siehe Seite 32). So deutet die technische Übung des Gießers keineswegs auf eine große
Sicherheit. Er braucht auch nicht dieselbe Persönlichkeit zu sein wie der Verfertiger
des Wachsmodells, wie es wohl zuweilen der Fall ist, und wird es hier schwerlich
sein, schon aus dem Grunde, daß die Herstellung des Modells auf mehrere Hände
zurückgeht4).
') Ladislas Glinka, Porte d’airain de la Cathedrale de Gniezno, Revue de 1’ Art Chretien, Band 33, 1890 p. 380 ff.
(Übersetzung von Abbe Brykizynski).
s) Uber die ehernen Türen im Dom zu Gnesen, Allgemeine Bauzeitung, herausgegeben von W. Förster, Wien, Jahr-
gang X, 1845, Seite 370 und Blatt DCXC.
*) Auch Joachim Lelewel, der in seiner Abhandlung über die Tür ausführlich über die Entstehungsfrage spricht, ist
derselben Ansicht. (DrzwikoScielne Plockie i Gnieznienskie, Poznau 1857.) Ihm schließt sich Kamil Kantak an, stellt aber
ohne jede Begründung die Tür als französische Arbeit hin. (Brama spizowa gnieznienska a zywoty wojciecha. Miesi^cznik
koscielny. Poznau. Tom. VIII, 1912. p. 411—423.
*) Literatur: Julius Kohte, Die Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Bromberg. Berlin 1897, Seite 85 und Tafel IV. —
Abbildungen ferner bei E. Reynski, Wspomnienia Wielkopolski, Tafel 51. — Feliks Kopera i Julian Pagaczewski, Polskie
Muzeum, Tafel 39. — 1837 wurde ein Gipsabguß hergestellt, nachdem K. Friedr. Schinkel 1834 die Tür besichtigt hatte. 1842
beauftragte Friedrich Wilhelm IV. von Preußen den Architekten Berndt, eine genaue Beschreibung und Zeichnung anzufertigen.
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Die Überlieferung bringt über die Entstehung der Bronzetüren an der Südseite des
Domes von Gnesen mit der Darstellung des Lebens des hl. Adalbert, der „Porta aenea“
auch „aurea“, wie sie im 17. Jahrhundert genannt wird, verschiedene Nachrichten.
1595 heißt es, daß sie ursprünglich bei der Christianisierung Rußlands von Wladimir
dem Großen aus Cherson nach Kiew und von dort durch den Polenkönig Boleslav II.
im 11. Jahrhundert nach Gnesen gebracht worden sei1). Gegen die byzantinische Her?
kunft aus Cherson spricht nicht nur der Stil vollkommen, sondern auch der frühe
Zeitpunkt gegenüber den Daten des den Byzantinern ganz unbekannten Heiligen
(•}* * 997), abgesehen davon, daß diese Zurückführung von Kunstwerken auf Wladimir,
den ersten christlichen Herrscher der Russen und damit auf Cherson oder Korsun,
von wo das Christentum nach Rußland eingeführt wurde, eine stets beliebte Legende
ist. Die Türen von Nowgorod hießen ebenfalls „Korssunsche“ Türen.
Auch die Meinung Berndts2), daß Otto III. die Türen in Magdeburg hatte gießen
lassen, und vielleicht sogar von Bernward von Hildesheim, ist nicht zu verfechten.
Schon die Kostüme, wie die bischöfliche Mitra, schließen eine so frühe Entstehung
aus. Außerdem setzt Berndt nur den linken Flügel in diese Zeit und sieht den rechten
als Werk des 15. Jahrhunderts an, als Ersatz für einen vielleicht im 11. Jahrhundert
geraubten, so daß die Tür dann vierhundert Jahre nur aus einem Flügel bestanden hätte.
Eine andere Tradition sieht in Boleslav III. Schiefmund, dem 1102 bis 1138 in
Polen regierenden Herzog, den Stifter der Tür, und für die Richtigkeit dieser Über?
lieferung sprechen verschiedene Umstände. Dieser Fürst kam 1113 zur Sühne für die
Ermordung seines Bruders nach Gnesen zum Grabe des hl. Adalbert, schenkte einen
goldenen Schrein für die Reliquien des Heiligen und ließ Silbermünzen mit der Dar?
Stellung seiner eigenen Sühne und Absolution schlagen. Es ist nun sehr wahrscheinlich,
daß seiner Schenkfreudigkeit — es wird auch sonst seine Munificenz gegenüber dem
Dom erwähnt — ebenfalls die Bronzetüren zu verdanken sind. Umstände, wie das
Auffinden des Kopfes Adalberts in Gnesen im Jahre 1127 nach der Plünderung der
Stadt durch die Böhmen war dem Gedenken des Heiligen günstig, und der Stil des
Werkes bestätigt durchaus die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mit der Richtigkeit
dieser Tradition also kann man mit großer Wahrscheinlichkeit rechnen3).
Die beiden Türflügel sind je in einem Stück gegossen, zirka 2 cm dick. Sie sind
nicht ganz gleich groß, der linke 328 cm hoch und 84 cm breit, der rechte 323 cm
hoch und 83 cm breit. Auch ist die Metallmischung bei beiden eine verschiedene,
denn der Flügel rechts hat eine gelbere, mehr messingartige Färbung, ist also stärker
zinkhaltig als der linke, der dunkler und rötlicher, also mehr kupferhaltig erscheint.
Beide Flügel zeigten starke Gußfehler, auf die später noch eingegangen werden wird
(siehe Seite 32). So deutet die technische Übung des Gießers keineswegs auf eine große
Sicherheit. Er braucht auch nicht dieselbe Persönlichkeit zu sein wie der Verfertiger
des Wachsmodells, wie es wohl zuweilen der Fall ist, und wird es hier schwerlich
sein, schon aus dem Grunde, daß die Herstellung des Modells auf mehrere Hände
zurückgeht4).
') Ladislas Glinka, Porte d’airain de la Cathedrale de Gniezno, Revue de 1’ Art Chretien, Band 33, 1890 p. 380 ff.
(Übersetzung von Abbe Brykizynski).
s) Uber die ehernen Türen im Dom zu Gnesen, Allgemeine Bauzeitung, herausgegeben von W. Förster, Wien, Jahr-
gang X, 1845, Seite 370 und Blatt DCXC.
*) Auch Joachim Lelewel, der in seiner Abhandlung über die Tür ausführlich über die Entstehungsfrage spricht, ist
derselben Ansicht. (DrzwikoScielne Plockie i Gnieznienskie, Poznau 1857.) Ihm schließt sich Kamil Kantak an, stellt aber
ohne jede Begründung die Tür als französische Arbeit hin. (Brama spizowa gnieznienska a zywoty wojciecha. Miesi^cznik
koscielny. Poznau. Tom. VIII, 1912. p. 411—423.
*) Literatur: Julius Kohte, Die Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Bromberg. Berlin 1897, Seite 85 und Tafel IV. —
Abbildungen ferner bei E. Reynski, Wspomnienia Wielkopolski, Tafel 51. — Feliks Kopera i Julian Pagaczewski, Polskie
Muzeum, Tafel 39. — 1837 wurde ein Gipsabguß hergestellt, nachdem K. Friedr. Schinkel 1834 die Tür besichtigt hatte. 1842
beauftragte Friedrich Wilhelm IV. von Preußen den Architekten Berndt, eine genaue Beschreibung und Zeichnung anzufertigen.
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