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Hartlaub, Gustav Friedrich
Alchemisten und Rosenkreuzer: Sittenbilder von Petrarca bis Balzac, von Breughel bis Kubin — Willsbach, Heidelberg, 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.19128#0030
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Die etwa 1651 entstandene Radierung wird von Rembrandts
Freund, Clement de Jonghe, als „Pr avisierender Alchemist" be-
zeichnet, woraus hervorgeht, daß in diesem Zeitalter als Alche-
misten auch solche gelten konnten, die nicht mit Öfen und
Metallen zu tun, sondern sich nur allgemein der Magie ergeben
haben, wie man das von den esoterischen Alchemisten, den
sogenannten Rosenkreuzern, im 17. Jahrhundert annahm. Erst
der Kunsthändler Gersaint im 18. Jahrhundert spricht dann von
,,Fautricus" — wohl nach der niederländischen Übersetzung des
Volksbuches oder des Volksschauspiels von Dr. Faust und
seiner Höllenfahrt. Diese Uberlieferung hat Goethe für den Faust
seines Fragments herangezogen; wenn er einen Nachstich der
Radierung als Titelkupfer benutzte, so muß damit gesagt sein,
daß Rembrandts Darstellung auch abgesehen von ihrem Titel
Goethes innerer Vorstellung von Faust entsprochen, ja womög-
lich diese beeinflußt hat. Die Parallelen liegen auf der Hand.
Wenn auch für das Milieu Fausts im ersten Monolog als Ganzes
eher an Bilder eines Thomas Wijk gedacht werden muß, so ist
doch die Persönlichkeit selbst bei Goethe und Rembrandt mit
ähnlichen Merkmalen ausgestattet und gewisse einzelne Züge
des Geschehens und der Umwelt stimmen überein. So könnte man
auch von Rembrandts Weisem annehmen, daß er „so manche
lange Nacht an diesem Pult herangewacht" hat; so sieht man
bei ihm ganz wörtlich, daß die „Geisterwelt nicht verschlossen"
ist, ja auch der „Spiegel ew'ger Wahrheit", dem sich Goethes
Faust ganz nah gefühlt hat, ist •— buchstäblicher freilich, als
das bei dem Dichter gemeint — vorhanden und die darin er-
scheinenden kabbalistischen Buchstaben mögen an die Zeichen
des Makrokosmos und Erdgeistes wenigstens von weitem ge-
mahnen. Daß die seltsame Helle hinter der großen Fenster-
scheibe mit dem „Morgenrot" identisch ist mit der mystischen
Aurora, in der ein Schüler der geheimen Wissenschaften seine
irdische Brust baden soll, ist kein ganz abwegiger Gedanke.

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