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Hartlaub, Gustav Friedrich [Bearb.]; Baldung Grien, Hans [Ill.]
Hans Baldung Grien - Hexenbilder — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 61: Stuttgart: Reclam, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.63629#0043
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DAS HEXENTHEMA IN DER KUNST
SEIT BALDUNG

Zu der Frage, wie sich das Hexenthema, nachdem seine
Verwirklichung durch Baldung einen Höhepunkt
erreicht hatte, weiterentwickelt, ob der Meister Nachfol-
ger gefunden hat, die dem Gegenstand neue zeichne-
rische und malerische Möglichkeiten abgewannen, kann
hier nur angedeutet werden, daß es seither meist nur
Künstler zweiten und dritten Ranges gewesen sind, die
in diesem „Genre“ tätig blieben, wobei sie häufig dessen
Romantik durch okkulte Sensation für ein Publikum
von entsprechendem Niveau ersetzten. Bei dem Bauern-
bruegel, von dessen zahlreichen Motiven sein Sohn,
der sogenannte Höllenbruegel, die gespenstischen zur
Spezialität machte, hat die Hexe als Sonderthema kaum
eine größere Rolle gespielt als einst bei ihrem rätsel-
haften Vorgänger Hieronymus Bosch. Was im 17. Jahr-
hundert Maler wie Jakob de Gheyn, Teniers, Frans
Francken, später Joseph Werner u. a. — von roh hand-
werksmäßigen Illustratoren zu schweigen — in diesem
Stoffgebiet geleistet haben, ließe sich aus der Gesamtheit
der Barockmalerei und -Graphik ohne viel Verlust weg-
denken. Selbst wenn es sich nicht um das sittenbildliche
Schema, sondern um ein biblisch begründetes Auftreten
handelt — etwa in jener grandiosen Szene der wahr-
sagenden Hexe von Endor, die heimlich von König Saul
(darin ein Vorläufer von Shakespeares Macbeth) um
ein Zukunftsorakel befragt wird —, häufen sich die greu-
lichen Begleitzutaten viel zu sehr, als daß höhere Kunst-
werke hätten entstehen können. Im späteren 18. Jahr-
hundert freilich, im Zeitalter einer Aufklärung, die ge-
rade in seinem Lande nur langsam durchdrang, hat un-
ser mit so manchen Tabus belastetes Thema den großen
Spanier Goya noch einmal zu ebenso genialen wie
schauerlichen Phantasieskizzen angetrieben. Goya, noch
verfolgt von den furchtbaren Generationserinnerungen
der Ketzer- und Hexenverfolgung, hat den Holzschnitt
unseres altdeutschen Meisters kaum gekannt. Dasselbe

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