Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hartlaub, Gustav Friedrich
Der Gartenzwerg und seine Ahnen: eine ikonographische und kulturgeschichtliche Betrachtung — Heidelberg, 1962

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17231#0025
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abnormitäten als Parkzwerge

Hofzwerge als Lieblinge der Mächtigen, wie sie bei uns erst seit dem
1 5.Jahrhundert aufgetreten und durch die bildende Kunst gespiegelt
worden sind, hat es wahrscheinlich schon im Altertum gegeben. Mit
Sicherheit haben sie im antiken Ägypten eine Rolle gespielt, nicht nur
die volkstümliche Neugier weckend, sondern in besonderem Maße
auch bei Hofe und bei seinen Großen wohlgelitten - wie uns das Tho-
mas Mann im zweiten Bande seines Josephsromans (Joseph in Ägyp-
ten) so lebendig nahe gebracht hat. Daß die Pharaonen an der Er-
werbung derartiger Abnormitäten interessiert waren, legt der bekannte
Brief des Königs Phiops (VI. Dynastie) nahe, der einem Expeditions-
teilnehmer im Süden befiehlt, einen »Deneg«, den er aufgefunden haben
will - wohl einen einzelnen Verwachsenen, kaum den Angehörigen
eines Zwergstammes - unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen und
möglichst schnell, heil und gesund in die Residenz zu bringen. War es
nur um der Kuriosität und der Unterhaltung willen, nur also um »das
Herz des Königs zu erfreuen«, oder gab es da noch andere Beweg-
gründe ? Vielleicht führt uns jener Gott »Bes«, eine halb komische Figur
im ägyptischen Pantheon, den die Künstler als mischgestaltigen Zwerg
dargestellt haben, auf die richtige Spur. Er kommt oft auf Amuletten,
als Fayencefigürchen, auf Stelen und Gefäßen vor, sogar reihenweise
an Kapitälen gewisser Tempel, weil ihm apotropäische. unheilabweh-
rende Kräfte gegen Schlangen und Krokodile, aber auch gegen un-
sichtbare Dämonen und Geister zugeschrieben wurden. Sollte die
Zwergen-Gestalt darum auch unter den Lebenden als zauberkräftig
gegolten haben? Vielleicht erklärt sich so, daß in einem berühmten
Relief gleichfalls der VI. Dynastie eine junge wohlgewachsene Ehefrau
mit einem kümmerlichen Zwerggatten (Seneb) nebst zwei Kindern dar-
gestellt worden ist(37),der als Auftraggeber wohl glaubte, seinem Weibe
gerade in dieser Mißgestalt Glück gebracht zu haben ? Ähnlich könnte
sich auch jener Eifer des Pharao, wenigstens teilweise, mit aus dem
Wunsche erklären, ein schutzbringendes Lebewesen in seiner Nähe zu
haben. Erst recht nur eine Hypothese muß es bleiben, daß dem Ab-
normzwerg, weil man hinter ihm womöglich auch so etwas wie eine

21
 
Annotationen