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Hartmann, Eduard von
Philosophie des Unbewussten (Band 1): Phänomenologie des Unbewussten — Berlin, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.23706#0285

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VII.

Das Unbewusste im Denken.

Im vorletzten Capitel (S. 245—247) hatten wir gesehen, dass
jeder Eintritt einer Erinnerung zu einem bestimmten Zwecke der Hülle
des Unbewussten bedarf, wenn gerade die rechte Vorstellung einfal-
len soll, weil das Bewusstsein die schlummernden Gedächtnissvor-
stellungen *) nicht umfasst, also auch nicht unter ihnen wählen kann.
Wenn eine unpassende Vorstellung auftaucht, so erkennt das Be-
wusstsein dieselbe sofort als unzweckmässig und verwirft sie, aber
alle Erinnerungen, welche noch nicht aufgetaucht sind, sondern erst
auftauchen sollen, liegen ausser seinem Gesichtskreise, also auch
ausser seiner Wahl; nur das Unbewusste kann die zweckmässige
Wahl vollziehen. Es könnte etwa Jemand meinen, dass die Erinne-
rungen absolut zufällig in Bezug auf das Interesse auftauchen, und
das Bewusstsein so lange die falschen verwirft, bis endlich auch die
richtige kommt. Beim abstracten Denken kommen allerdings solche
Fälle vor, wo man fünf, auch mehr Vorstellungen verwirft, ehe
Einem die richtige einfällt. In solchen Fällen handelt es sich aber,
wie beim Rathen von Räthseln, oder Lösen von Aufgaben durch
Probiren, darum, dass das Bewusstsein selbst nicht recht weiss, was
es will, d. h. dass es die Bedingungen der Zweckmässigkeit nur in
Gestalt abstracter Wort- oder Zahlformeln, aber nicht in unmittel-
barer Anschauung kennt, so dass es in jedem einzelnen Falle erst
den concreten Werth in die Formeln einsetzen muss, und Zusehen,

*) Ich erinnere hier nochmals daran, dass der Ausdruck: „schlummernde
Gfedächtnissvorstellungen“ ein uneigentlicher ist, da es sich hier weder um be-
wusste noch um unbewusste Vorstellungen, also um gar keine Vorstellungen
handelt, sondern um moleculare Hirndispositionen zu gewissen Schwingungszu-
ständen, auf welche das Unbewusste eintretenden Palls mit gewissen bewussten
Vorstellungen reagirt.
 
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