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Hartmann, Eduard von
Philosophie des Unbewussten (Band 1): Phänomenologie des Unbewussten — Berlin, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.23706#0305

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VIEL

Das Unbewusste in der Entstellung der sinnlichen
Wahrnehmung.

Kant behauptete in seiner transcendentalen Aesthetik, dass der
Raum von der Seele nicht irgend wo anders her passiv empfangen,
sondern von derselben selbstthätig erzeugt würde, und brachte mit
diesem Satze einen totalen Umschwung in der Philosophie hervor.
Weshalb hat nun aber von jeher dieser richtige Satz sowohl dem
gemeinen Menschenverstände, als auch der naturwissenschaftlichen
Denkweise mit wenigen Ausnahmen so völlig widerstrebt?

1) Weil Kant, und nach ihm Fichte und Schopenhauer, aus dem
richtigen Satze falsche und dem Instincte der gesunden Vernunft
widerstrebende, subjectiv-idealistische Consequenzen zogen;

2) weil Kant falsche Beweise für seine richtige Behauptung ge-
geben hatte, die in Wahrheit gar nichts bewiesen;

3) weil Kant, ohne sich selbst darüber Rechenschaft
zu geben, von einem unbewussten Process in der Seele spricht,
während die bisherige Anschauungsweise nur bewusste Processe der
Seele kennt und für möglich hält, das Bewusstsein aber eine selbst-
thätige Erzeugung von Raum und Zeit leugnet, und mit vollem Recht
ihr Gegebensein durch die sinnliche Wahrnehmung als fait accompli
behauptet;

4) weil Kant mit dem Raume die Zeit gleichstellte, von welcher
dieser Satz nicht gilt.

Diese vier Puncte haben wir der Reihe nach zu betrachten, da
die unbewusste Erzeugung des Raumes die Grundlage für die Ent-
stehung der sinnlichen Wahrnehmung ist, mit welcher erst das Be-
wusstsein beginnt und welche wieder die Grundlage alles bewussten
Üenkens ist.
 
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