1902
Heidelberger Akademische Mitteilungen
Nr. 5
düng ablehnten, dass sie der Begehung einer strafbaren Hand-
lung sich nicht bewusst seien, bezw. dass sie sich zur Vor-
zeigung der Karte nicht für verpflichtet hielten, bemerke ich
ausdrücklich, dass die Herren Kommilitonen unter allen
Umständen auf Verlangen des Polizeipersonals die Karte
vorzuzeigen haben und eine Befugnis derselben, die Vorzeig-
ung oder Abgabe der Karte zu verweigern, nicht besteht.
Zuwiderhandelnde werden künftighin unnachsichtlich auf
disziplinärem Wege strenge bestraft.
Dr. Holderer.
Hochschuliiacliricliteii.
Heidelberg, 23. Mai 1902.
Jubelfeier. Geheimrat Czerny beging am letzten
Samstag sein 25jähriges Amtsjubiläum als Direktor der
hiesigen Chirurgischen Universitätsklinik. Die Feier wurde
im festlich geschmückten Operationssaal der Chirurgischen
Klinik im engsten Kreise durch einen Festakt am Samstag
eingeleitet. Anwesend waren äusser der Familie Czerny’s die
Professoren der medizinischen Fakultät, sowie in grosser An-
zahl frühere und jetzige Assistenten. Geheimrat Braun-
Göttingen hielt die Festrede. Prof. Petersen überreichte im
Namen der Assistenten eine Festschrift, Geheimrat Leber
sprach im Namen seiner hiesigen Kollegen. Cand. med. Thor-
becke huldigte im Namen der hier studierenden Kliniker
ihrem grossen Lehrer. Geheimrat Czerny dankte tiefbewegt
und warf einen interessanten Rückblick auf seinen eigenen
Studiengang. Der Jubilar schilderte, wie er zuerst als Phy-
siologe, dann als Chemiker, dann als Spezialist für innere
Medizin sich versuchte und schliesslich als Chirurg seinen
wissenschaftlichen Weg gegangen sei. Nachmittags fand ein
Festessen im „Europäischen Hof“ statt. Der Abend ver-
einigte die Festgenossen als Gäste des Jubilars in dessen
Hause zu einem Bierabend.
* Das Adressbuch der Ruprecht-Karls-Universität
für das Sommer-Halbjahr 1902 ist soeben im Verlag der
Universitätsbuchhandlung von Karl Groos hier erschienen.
Es enthält in gewohnter Weise zunächst das Verzeichnis der
akademischen Behörden und des Lehrkörpers. Von Verände-
rungen, die in letzterem seit Ausgabe des vorhergehenden
Adressbuches eingetreten sind, seien erwähnt: In der juri-
stischen Fakultät habilitierte sich Dr. Kohlrausch, in
der medizinischen erscheinen als neue Privatdozenten:
Dr. Voelcker, Dr. Stendel, Dr. Nehrkorn und Dr. Soetbeer;
Prof. Kiaatsch ist beurlaubt; die philosophische Fa-
kultät verlor durch den Tod Prof. Dr. August Eisenlohr,
ausserdem schieden die Privatdozenten Dr. Gottl und Dr.
Arnsperger, habilitiert hat sich Dr. Becker. Als Lehrer
der Land wirtsch aft ist erstmals Landwirtschaftsinspektor
Kuhn von Ladenburg aufgeführt. — Der engere Ausschuss
der Studentenschaft besteht aus den Herren: cand. theol.
R. Krastel, Vorsitzender, stud. iur. Fr. Aug. Schmidt, Schrift-
führer, stud, iur. Hans Wolff, Rechner, stud. iur. Graf Bethusy-
Huc, Vertreter des S.-C., stud. iur. 0. Wolfien, Vertreter
des D.-C., stud. iur. V. Kaifer, Vertreter der übrigen Korpo-
rationen; der Vertreter der Nichtinkorporierten war bei Auf-
stellung des Adressbuchs. noch nicht gewählt. — In dem
Verzeichnis der Studierenden stehen als fürstliche
Hörer obenan; Seine König], Hoheit Prinz Georg Wilhelm,
Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, und Graf Rhena
Friedrich Maximilian Alexander, ersterer im Europäischen
Hof, letzterer im Grand-Hotel wohnhaft, beide in der juri-
stischen Fakultät eingeschrieben. Es folgen die Namen der
übrigen Studierenden, unter denen sich 17 immatrikulierte
Damen befinden, mit den näheren persönlichen Angaben und
schliesslich die statistischen Zusammenstellungen. Diesen
zufolge studieren im laufenden Sommerhalbjahr hier:
in der theologischen Fakultät
57
S.-H.
1901 =
48
„ juristischen „
571
471
„ medizinischen „
288
293
„ philosophischen „
333
w
V)
271
„ naturwiss.-math. „
391
381
zusammen 1640
hierzu kommen 129
zum Besuch der Vorlesungen berechtigte
Personen
1464,
121
reiferen
Alters und
( in der theologischen Fakultät 2
Hörerinnen „ „ philosophischen „ 27
( „ „ naturw.-math. „ 25,
so dass sich eine Gesamtzahl von 1823 Hörern er-
giebt und eine Vermehrung gegen das Sommerhalbjahr 1901
um 198. Von den 1640 Hörern sind 455 Badener und 1185
Nicht-Badener.
Todesfall. Im Alter von 81 Jahren ist vorgestern abend
der ausserordentliche Professor der englischen Sprache, Herr
Ihne, gestorben. Herr Ihne war längere Jahre in England
Rektor am Liverpool-Institute. Seit 1873 wirkte er an der
hiesigen Universität. 1883 erhielt, er den Charakter als
Honorarprofessor. Seinen 80. Geburtstag beging Prof. Ihne im
Februar vorigen Jahres noch in bewundernswerter körperlicher
und geistiger Frische unter den Glückwünschen seiner Fach-
kollegen. Bald darauf zog er sich von der praktischen Aus-
übung der Lehrthätigkeit zurück. Eine lange Musse ist ihm
nicht beschieden gewesen. Die Bestattung findet Samstag
Nachmittag 4 Uhr auf dem Heidelberger Friedhöfe statt.
Von anderen Ho eh schulen.
Eröffnungstag der Universität Dorpat. Am 4. Mai
1902 waren hundert Jahre seit der amtlichen Eintragung
des ersten Studenten an der Universität Dorpat vergangen.
In früheren, nicht allzuweit zurückliegenden Jahren pflegte
die Studentenschaft der baltischen Hochschule diesen Gedenk-
tag durch einen sogenannten Völkerkommers zu feiern, der
regelmässig allgemeine Beteiligung fand. Unter den heutigen
Verhältnissen, die selbst den alten Namen der Stadt haben
verschwinden lassen, ist auch diese Erinnerung dahinge-
schwunden. Das Jubiläum erweckt in Deutschland wehmütige
Betrachtungen.
Am Abend des 3. Mai 1902 begingen in Berlin die
„alten Herren“ der Universität Dorpat den hundertjährigen
Gedenktag der Stiftung dieser Hochschule. Eine Versamm-
lung von etwa 60 Herren hatte sich zu diesem Zwecke im
Restaurant „Der Burggrafenhof“ eingefunden. Unter den
Anwesenden bemerkte man u. a. die Berliner Professoren
Theod. Schiemann, Adolf Harnack, Seeberg und J. C. Schwartz,
ferner den Direktor des königlichen Litterarischen Bureaus,
Geh. Regierungsrat G. v. Falck, und Professor von Dettingen
(Leipzig). Geheimrat von Bergmann war am Erscheinen
leider verhindert. Die meisten Herren hatten die Farben
ihrer Dorpater Verbindungen angelegt, was das Bild der Ver-
sammlung bunt und wechselvoll gestaltete. Prof. Schiemann
hielt eine inhaltreiche Rede, in der er den Entwicklungsgang
Dorpats schilderte und namentlich bei den inneren und
äusseren Kämpfen der Studentenschaft bis zu ihrem Zusam-
menschluss in den Chargiertenkonvent und dessen Anerkennung
durch die russische Regierung verweilte. Als besonderes
Kennzeichen der Dorpater Studenten hob er ihre grosse Tole-
ranz gegenüber der Meinung anderer, die seiner Zeit die Be-
seitigung des Duellzwanges zuwege gebracht, sowie die Fern-
haltung von der Politik hervor, die auch nicht die Aufgabe
der Studenten sei. Die Rede Professor Schiemanns fand
reichen Beifall. Von den sonstigen Reden sei insbesondere
die des Kirchenhistorikers Adolf Harnack erwähnt, der in
tief empfundenen Worten der drei Provinzen Livland, Kur-
land, Esthland und der Stadt Riga gedachte. Die Erinne-
rungsfeier nahm einen angeregten Verlauf.
Heidelberger Akademische Mitteilungen
Nr. 5
düng ablehnten, dass sie der Begehung einer strafbaren Hand-
lung sich nicht bewusst seien, bezw. dass sie sich zur Vor-
zeigung der Karte nicht für verpflichtet hielten, bemerke ich
ausdrücklich, dass die Herren Kommilitonen unter allen
Umständen auf Verlangen des Polizeipersonals die Karte
vorzuzeigen haben und eine Befugnis derselben, die Vorzeig-
ung oder Abgabe der Karte zu verweigern, nicht besteht.
Zuwiderhandelnde werden künftighin unnachsichtlich auf
disziplinärem Wege strenge bestraft.
Dr. Holderer.
Hochschuliiacliricliteii.
Heidelberg, 23. Mai 1902.
Jubelfeier. Geheimrat Czerny beging am letzten
Samstag sein 25jähriges Amtsjubiläum als Direktor der
hiesigen Chirurgischen Universitätsklinik. Die Feier wurde
im festlich geschmückten Operationssaal der Chirurgischen
Klinik im engsten Kreise durch einen Festakt am Samstag
eingeleitet. Anwesend waren äusser der Familie Czerny’s die
Professoren der medizinischen Fakultät, sowie in grosser An-
zahl frühere und jetzige Assistenten. Geheimrat Braun-
Göttingen hielt die Festrede. Prof. Petersen überreichte im
Namen der Assistenten eine Festschrift, Geheimrat Leber
sprach im Namen seiner hiesigen Kollegen. Cand. med. Thor-
becke huldigte im Namen der hier studierenden Kliniker
ihrem grossen Lehrer. Geheimrat Czerny dankte tiefbewegt
und warf einen interessanten Rückblick auf seinen eigenen
Studiengang. Der Jubilar schilderte, wie er zuerst als Phy-
siologe, dann als Chemiker, dann als Spezialist für innere
Medizin sich versuchte und schliesslich als Chirurg seinen
wissenschaftlichen Weg gegangen sei. Nachmittags fand ein
Festessen im „Europäischen Hof“ statt. Der Abend ver-
einigte die Festgenossen als Gäste des Jubilars in dessen
Hause zu einem Bierabend.
* Das Adressbuch der Ruprecht-Karls-Universität
für das Sommer-Halbjahr 1902 ist soeben im Verlag der
Universitätsbuchhandlung von Karl Groos hier erschienen.
Es enthält in gewohnter Weise zunächst das Verzeichnis der
akademischen Behörden und des Lehrkörpers. Von Verände-
rungen, die in letzterem seit Ausgabe des vorhergehenden
Adressbuches eingetreten sind, seien erwähnt: In der juri-
stischen Fakultät habilitierte sich Dr. Kohlrausch, in
der medizinischen erscheinen als neue Privatdozenten:
Dr. Voelcker, Dr. Stendel, Dr. Nehrkorn und Dr. Soetbeer;
Prof. Kiaatsch ist beurlaubt; die philosophische Fa-
kultät verlor durch den Tod Prof. Dr. August Eisenlohr,
ausserdem schieden die Privatdozenten Dr. Gottl und Dr.
Arnsperger, habilitiert hat sich Dr. Becker. Als Lehrer
der Land wirtsch aft ist erstmals Landwirtschaftsinspektor
Kuhn von Ladenburg aufgeführt. — Der engere Ausschuss
der Studentenschaft besteht aus den Herren: cand. theol.
R. Krastel, Vorsitzender, stud. iur. Fr. Aug. Schmidt, Schrift-
führer, stud, iur. Hans Wolff, Rechner, stud. iur. Graf Bethusy-
Huc, Vertreter des S.-C., stud. iur. 0. Wolfien, Vertreter
des D.-C., stud. iur. V. Kaifer, Vertreter der übrigen Korpo-
rationen; der Vertreter der Nichtinkorporierten war bei Auf-
stellung des Adressbuchs. noch nicht gewählt. — In dem
Verzeichnis der Studierenden stehen als fürstliche
Hörer obenan; Seine König], Hoheit Prinz Georg Wilhelm,
Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, und Graf Rhena
Friedrich Maximilian Alexander, ersterer im Europäischen
Hof, letzterer im Grand-Hotel wohnhaft, beide in der juri-
stischen Fakultät eingeschrieben. Es folgen die Namen der
übrigen Studierenden, unter denen sich 17 immatrikulierte
Damen befinden, mit den näheren persönlichen Angaben und
schliesslich die statistischen Zusammenstellungen. Diesen
zufolge studieren im laufenden Sommerhalbjahr hier:
in der theologischen Fakultät
57
S.-H.
1901 =
48
„ juristischen „
571
471
„ medizinischen „
288
293
„ philosophischen „
333
w
V)
271
„ naturwiss.-math. „
391
381
zusammen 1640
hierzu kommen 129
zum Besuch der Vorlesungen berechtigte
Personen
1464,
121
reiferen
Alters und
( in der theologischen Fakultät 2
Hörerinnen „ „ philosophischen „ 27
( „ „ naturw.-math. „ 25,
so dass sich eine Gesamtzahl von 1823 Hörern er-
giebt und eine Vermehrung gegen das Sommerhalbjahr 1901
um 198. Von den 1640 Hörern sind 455 Badener und 1185
Nicht-Badener.
Todesfall. Im Alter von 81 Jahren ist vorgestern abend
der ausserordentliche Professor der englischen Sprache, Herr
Ihne, gestorben. Herr Ihne war längere Jahre in England
Rektor am Liverpool-Institute. Seit 1873 wirkte er an der
hiesigen Universität. 1883 erhielt, er den Charakter als
Honorarprofessor. Seinen 80. Geburtstag beging Prof. Ihne im
Februar vorigen Jahres noch in bewundernswerter körperlicher
und geistiger Frische unter den Glückwünschen seiner Fach-
kollegen. Bald darauf zog er sich von der praktischen Aus-
übung der Lehrthätigkeit zurück. Eine lange Musse ist ihm
nicht beschieden gewesen. Die Bestattung findet Samstag
Nachmittag 4 Uhr auf dem Heidelberger Friedhöfe statt.
Von anderen Ho eh schulen.
Eröffnungstag der Universität Dorpat. Am 4. Mai
1902 waren hundert Jahre seit der amtlichen Eintragung
des ersten Studenten an der Universität Dorpat vergangen.
In früheren, nicht allzuweit zurückliegenden Jahren pflegte
die Studentenschaft der baltischen Hochschule diesen Gedenk-
tag durch einen sogenannten Völkerkommers zu feiern, der
regelmässig allgemeine Beteiligung fand. Unter den heutigen
Verhältnissen, die selbst den alten Namen der Stadt haben
verschwinden lassen, ist auch diese Erinnerung dahinge-
schwunden. Das Jubiläum erweckt in Deutschland wehmütige
Betrachtungen.
Am Abend des 3. Mai 1902 begingen in Berlin die
„alten Herren“ der Universität Dorpat den hundertjährigen
Gedenktag der Stiftung dieser Hochschule. Eine Versamm-
lung von etwa 60 Herren hatte sich zu diesem Zwecke im
Restaurant „Der Burggrafenhof“ eingefunden. Unter den
Anwesenden bemerkte man u. a. die Berliner Professoren
Theod. Schiemann, Adolf Harnack, Seeberg und J. C. Schwartz,
ferner den Direktor des königlichen Litterarischen Bureaus,
Geh. Regierungsrat G. v. Falck, und Professor von Dettingen
(Leipzig). Geheimrat von Bergmann war am Erscheinen
leider verhindert. Die meisten Herren hatten die Farben
ihrer Dorpater Verbindungen angelegt, was das Bild der Ver-
sammlung bunt und wechselvoll gestaltete. Prof. Schiemann
hielt eine inhaltreiche Rede, in der er den Entwicklungsgang
Dorpats schilderte und namentlich bei den inneren und
äusseren Kämpfen der Studentenschaft bis zu ihrem Zusam-
menschluss in den Chargiertenkonvent und dessen Anerkennung
durch die russische Regierung verweilte. Als besonderes
Kennzeichen der Dorpater Studenten hob er ihre grosse Tole-
ranz gegenüber der Meinung anderer, die seiner Zeit die Be-
seitigung des Duellzwanges zuwege gebracht, sowie die Fern-
haltung von der Politik hervor, die auch nicht die Aufgabe
der Studenten sei. Die Rede Professor Schiemanns fand
reichen Beifall. Von den sonstigen Reden sei insbesondere
die des Kirchenhistorikers Adolf Harnack erwähnt, der in
tief empfundenen Worten der drei Provinzen Livland, Kur-
land, Esthland und der Stadt Riga gedachte. Die Erinne-
rungsfeier nahm einen angeregten Verlauf.