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Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg — 1904

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1904

Heidelberger Akademische Mitteilungen

Nr. 8

Prag, am 30. Maien 1904.
Ehrenfester Ausschuss
der Heidelberger Studentenschaft!
Der Ausschuss der „Germania", Lese- und Rede-
verein in Prag erlaubt sich hiemit für die herzliche
Kundgebung seitens der Heidelberger Studentenschaft
den wärmsten Dank zu sagen.
Aus ganz Deutsch-Oesterreich, aus allen deutschen
Gauen jenseits der schwarzgelben Grenzpfähle ist der
Ruf zu uns gedrungen: „Harret aus im Sturmgebraus".
Er hat uns gestärkt zu neuem Kampfe. Auf dem kampf-
umtobten Prager Boden werden wir mit deutschem Mut
und deutscher Kraft ausharren, wolilwissend, dass mit
dem Verschwinden der beiden deutschen Hochschulen
von Prag zugleich das Deutschtum in dieser Stadt, die
noch 1860 eine vorwiegend deutsche war, verloren ist.
Aber auch noch etwas Anderes hat uns Deutschen
in Oesterreich dieser Ruf vor Augen geführt, nämlich
das Volksbewusstsein und die Liebe zu unserem Edel-
volke, welch' beide trotz aller drohenden RefalireiTffi
seits der Grenzpfähle sich mit elementarer Kraft kund-
gegeben haben. Und wir glauben jetzt an die Trost-,
aber auch Mahnworte Schönerers: „Um unsere Zukunft
als Angehörige der grossen deutschen Nation, kann uns
auf keinen Fall bange sein". Und als am 6. März in-
mitten tausender uns angreifender Tschechen aus vier-
hundert jugendlichen Kehlen die machtvollen, trutz-
bietenden Töne der „Wacht am Rhein" donnernd er-
schallten, da leuchtete das vorher noch trutzige Auge
eines jeden auf, das Herz bewegt ob des Gedankens an
die Grösse unseres Volkes, an seine Taten und seine
Kraft und zugleich hoffend, dass man unserer, die wir
einen Daseinskampf führen, doch nicht vergessen wird.

Auch der einmütige Ruf der Entrüstung, der durch
ganz Deutschland erschallte, hat uns in dieser Hoffnung
bestärkt und zu neuem Kampfe gestählt, viele ausser-
halb des politischen Treibens und Kampfes stehende
Männer der nationalen Sache gewonnen. Und so sehen
wir mit freiem Äug' und frischem Jugendmut der Zu-
kunft entgegen, mag da kommen, was da wolle — auch
der tschechische Leu!
Mit nochmaligem herzl. Danke und treudeutschem
Heilgruss
I. A. d. A. (1.
Germania, Lese- und Redeverein der deutschen Hoch-
schüler in Prag: phil. Ernst Tischer.
Veranstaltungen der Vereine.
Deutsche Christliche Studenten - Vereinigung,
(ohne korporativen Charakter) sucht allen Kommilitonen, die
ein Interesse an Fragen christlichen Lebens und Erfahrens
haben, Gelegenheit zu gegenseitigem Austausch hierüber und
zu freundschaftlichem Verkehr zu bieten durch freie zwang-
lose Zusammenkünfte, Vorträge, Ausflüge etc.
Sonntag, den 12. Juni, abends 8V2 h. s. t., Vereinshaus
Plöck 18,11: Zusammenkunft (der Sekretär des S. f. M.
Herr Gundert anwesend).
Zu näherer Auskunft sind gerne bereit:
Karl Bender, cand. theol., Bergheimer Str. 52.
Tli. Müller, cand. med., Nhm. Werderstrasse 32.
Vereinigung studierender Frauen. Unsere Vereinsabende
finden von jetzt an jeden Mittwoch Abend statt.
Nächste Zusammenkunft Mittwoch, 15. Juni in der
Stiftsmühle. Abmarsch 8 Uhr von der alten Brücke.
I. A.: Gisela Schmidt, stud. phil.
Anlage 34.

Freie Studentenschaft.
(Unter eigener Schriftleitung.)

Am Montag, den 6. Juni fand in der sozialwissen-
schaftlichen Abteilung der allerseits mit grosser Spannung
erwartete Vortrag des Herrn Abel-Musgrave über
die Wunder von Lourdes statt. Der Sitzungsabend be-
wies wieder, dass gerade diese Abteilung eine überaus
rege Beteiligung von Seiten der Kommilitonen aufzu-
weisen hat, denn das geräumige Nebenzimmer des Prinz
Max war dicht gefüllt von erwartungsvollen Zuhörern.
Erfreulich war auch das zahlreiche Erscheinen unsrer
weiblichen Kommilitonen, die sich auch an der Diskus-
sion beteiligten. Der Referent war sechs Wochen in
Lourdes gewesen und erzählte nun in einem längeren
Vortrage all die Eindrücke und Erlebnisse, die er aus
jenem französischen Städtchen in den Pyrenäen mit nach
Hause genommen hatte. Wir können den trefflichen
Ausführungen des Redners nur das Wichtigste entnehmen.
Das kleine Städtchen Lourdes war in den fünfziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts nur in seiner nächsten
Umgebung bekannt, als dort eine junge, sehr religiöse
Schäferin eine Erscheinung der Muttergottes hatte, die
öfters an derselben Stelle wiederkehrte, wo schliesslich
eine Quelle entsprang. Rasch verbreitete sich die Kunde
von diesem Wunder, an das man merkwürdiger Weise
gerade in Lourdes selbst nicht glauben wollte, in ganz
Frankreich, und als man erst von wunderbaren Heilungen
hörte, war das kleine Städtchen bald das Ziel einer
grossen Menge von gläubigen Pilgern, die dort Genesung
von ihrer Krankheit suchten, welche die Hand des Arztes
nicht zu heilen vermocht. Heute erhebt sich über der
wundertätigen Grotte eine prächtige Kathedrale und eine
grosse Stadt ist binnen kurzem emporgeblüht, wo noch

früher die Hütten der armen Bewohner gestanden hatten.
Alljährlich an drei Tagen des Monats August finden die
grossen Pilgerzüge nach Lourdes statt, die 20—30 000
hilfsbedürftige Menschen nach der wundertätigen Quelle
führen. Heute leben die Bewohner von Lourdes fast
ausschliesslich von diesem Fremdenstrom und' gerade
abstossend wirkte es auf den Redner, wie dort zur Zeit
der Pilgertage in langen Reihen von Verkaufsbuden die
Gottheit verhökert wird. Herzergreifend waren die
Szenen, die sich beim Eintreffen des ersten Pilgerzuges
auf dem Bahnhof abspielten. In elenden Kasten werden
hilflose Jammergestalten, die in diesen Särgen liegend
die weite Reise unternommen, von den Trägern aus der
Bahn geladen. Wie man überhaupt jede medizinische
Vorschrift und hygienische Massregel grundsätzlich äusser
Acht lässt, um der wundertätigen Heiligen von Lourdes
nicht vorzugreifen, so sind diese Krankenträger auch
keine geschulten Leute, sondern unwissende Bauern.
Beunruhigend ist das Geschiebe und Gedränge der vielen
Hunderte von Menschen, in das von Zeit zu Zeit der
Ruf des Bahnbeamten hineintönt: Hütet euer Porte-
monnaie, oder ein Krankenträger ruft: Platz für einen
Kranken, eine Aufforderung, der immer stattgegeben
wird. Ein andres Bild. In mystischem Dunkel liegt der
Baderaum, wo das wunderwirkende Wasser in Wannen
geleitet wird, in denen nun die Kranken gebadet werden.
Haarsträubend ist es, was der Redner hier hat sehen
müssen. Nur spärlich fliesst die Quelle und hundert
Menschen, die zum Teil über und über mit eiternden
Geschwüren bedeckt sind, teilen dasselbe Bad. Hundert
Menschen teilen dssselbe Wasser, das gar bald zu einer
 
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