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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Winter-Halbjahr 1919/20 — Heidelberg, 1919-1920

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AKADEMISCHE MITTEILUNGEN
FÜR DIE STUDIERENDEN DER RUFRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT ZU HEIDELBERG

Herausgegeben von J. Hörning
Universitäts-Buchdruckerei
Hauptstr. 55 a - Fernspr. 419

Winter-Halbjahr 1919/20 Nr. 4 Mittwoch, 12. November 1919

Anzeigenpreis: die viergespaltene
Zeile 50 Pfg., 10 Zeilen für das
ganze Semester 50 Mk.

Erscheint während des Semesters
monatlich zweimal und wird allen
Studierenden u. Hochschullehrern
unentgeltlich ins Haus geliefert

Die „Akademischen Mitteilungen“ können jeweils nach Erscheinen in den Buchhandlungen,
im Universitäts-Sekretariat, in der Akad. Lesehalle sowie beim Verlag, Hauptstr. 55 a, unentgeltlich
in Empfang genommen werden; gegen eine Gebühr von 50 Pfg. fürs Semester erfolgt Zusendung
durch die Post. Der Verlag.

Studentensekretäre.
(Auszug aus der „Göttinger Hochschulzeitung“.)
In seiner Sitzung am 21. Oktober hat der Allgemeine Stu-
dentenausschuss Heidelberg beschlossen, vorläufig nur probeweise
einen Studentensekretär anzustellen. „Studentensekretär? Was
ist das?“ wird mancher fragen. Diese Frage kann nicht so
schnell beantwortet werden, wie sie gestellt wird.
Wenn man auf die Geschichte der Studentenschaft zurück-
blickt, so bietet sich uns ein Bild der verschieden geartetsten
Richtungen dar, die gegeneinander kämpften. Es sei nur an den
Verbindungspartikularismus oder an den Gegensatz zwischen
Korporationsstudent und Freis'.udent erinnert. Die Schuld an
diesen Zuständen trifft nicht nur die studentische Jugend, die
ohne Führer und Berater nicht den richtigen Weg fand, sondern
auch die Universität und den Staat, die dem studentischen Leben
verhältnismässig unbeteiligt gegenüberstanden oder es einseitig
vom grünen Tisch herab in die ihnen genehme Bahn zwängten.
Denn die schon früher an verschiedenen Universitäten bestehen-
den Studentenausschüsse hatten meist repräsentative Aufgaben
und kümmerten sich nicht um das Verhältnis zwischen Student
und Allgemeinheit. Und die wenigen unter den Studenten, die
tatkräftig an den allgemeinen Interessen der Studentenschaft
mitzuarbeiten versuchten, mussten diese Arbeit unvollkommen
ihren Nachfolgern überlassen, da der Abschluss des Studiums
eine andere Nebenbeschäftigung, die einen ganzen Mann erfor-
dert, nicht mehr zuliess. Diese Nachfolger, meist nicht von den-
selben Idealen getragen, wussten mit den überkommenen Plänen
und Organisationsansätzen meist nichts anzufangen und liessen
sie verkommen. Nun ist gerade dieser dauernde Wechsel eine
der unheilvollen Begleiterscheinungen des studentischen Lebens,
der für Deutschland aber charakteristisch und nicht zu beseitigen
ist. So blieb der Student den festgefügten Organisationen der
Universität oder anderer Stände gegenüber ein dauernd schwan-
kendes Etwas. Er fühlte sich weniger als Mitglied eines festge-
schlossenen Standes und liess die Ansätze, die auf die Durch-
führung aller für seinen Stand nötigen Massnahmen hinzielten,
im Keime verkümmern. Das wird auch nicht anders werden,
ehe nicht der Student sich ebenso straff organisiert wie andere
Berufe. Erst dann wird in ihm das Gefühl der Zusammengehö-
rigkeit erstarken, einer Zusammengehörigkeit, die ihm und un-
serem Volk zum Heile ausschlagen muss. Erreicht kann dieses
Ziel nur werden durch die Bezwingung gemeinsamer Aufgaben
und Arbeiten. In der richtigen Erkenntnis dieser Sachlage hat
die deutsche Studentenschaft an allen Hochschulen ihre Vertre-
tung in die eigene Hand genommen. Doch darf sich deren Ar-
beit nicht auf das Fassen von Beschlüssen allein beschränken.
Nur die Tat kann uns weiterbringen.
Soll aber solche studentische Arbeit von Stetigkeit getragen
werden und von Dauer sein, so bedarf sie einer gewissen örtli-
chen Bürokratisierung und Zentralisierung. Es muss eine Stelle
vorhanden sein, die beim Wechsel der akademischen Bürger-
schaft, einen dauernden Sammelpunkt aller studentischen Arbeit
bildet. Das kann aber nur ein Studentensekretariat erreichen.
In ihm werden in der Hand eines Mannes, der auf die studen-
tischen Piäne mit Verständnis eingehen und sie verwaltungstech-
nisch meistern muss, alle von der Studentenschaft getroffenen
Einrichtungen vereinigt. Darum steht z. B. in der Verfassung
der Göttinger Studentenschaft, dass sie einen Studentensekretär
anstelle, um eine gleichmässige Weiterentwicklung „der Organi-
sation der Studentenschaft, und die Fortbildung und den Aufbau
aller für die Göttinger Studentenschaft getroffenen Einrichtungen
zu gewährleisten“, aber auch „zu ihrer eigenep Unterstützung
und Beratung in allen die Interessen der Studentenschaft betref-
fenden Fragen.“

Diese Sätze entsprangen der richtigen Erkenntnis, dass wohl
augenblicklich durch den Krieg gereifte Männer, die noch studie-
ren, das ungeheure studentische Arbeitsfeld beackern, das aber
in wenigen Jahren wieder jungen, unerfahrenen Studenten zur
Bestellung überlassen werden muss. Diese müssen eine Anlei-
tung, ja selbst eine feste Führung haben, soll nicht alle geleistete
Arbeit vergeblich sein. Was für Aufgaben werden nun der
Studentenschaft gestellt? Da sind Akademische Lesehallen,
Unterausschüsse für Wohnungswesen und Studentenheime, für
Arbeitsvermittlung und Speisehallen, Universitätszeitung und
Volkshochschulkurse, Studien- und Hochschulreform, studentische
Wohlfahrtspflege jeder Art, für Sport, Spiel und Turnen, Kran-
ken- und Unfallversicherung, Stipendien, Disziplinarvorschriften
usw.
Da nun bisher alle Versuche, diese Fragen zu lösen, an der
mangelnden Stetigkeit scheiterten, wurde den Studenten der
Vorwurf der Unreife gemacht. Und wenn er, wie gerade jetzt,
lauter als je den Ruf nach Mitbeteiligung an der Regelung aller
Universitätsfragen erschallen lässt, so tritt ihm auf Grund frü-
herer Erfahrung Misstrauen, wenn nicht gar schroffe Ablehnung
entgegen.
Aus dem allem ergeben sich die Aufgaben eines Studenten-
sekretärs. Er, der die Studentenschaft seiner Hochschule genau
kennen muss, wird als Berater der in jedem Semester neuge-
wählten Studentenausschüsse auftreten müssen. Er wird eine
Mittlerrolle zwischen Universität, Student und Volk spielen
müssen. Darum muss diese Stelle mit einer Persönlichkeit, nicht
nur mit einem studentischen Verwaltungsbeamten,. besetzt
werden.
Aber nicht nur nach aussen soll sich sein Wirken erstrecken-
Auch nach innen muss er bemüht sein, unter den Kommilitonen
selbst die Gegensätze zu überbrücken. Bei den Jungen muss
der Hebel angesetzt werden, um althergebrachte Schranken und
Vorurteile zu beseitigen, weil es hier weniger schwer fällt als
bei den Alten. Das kann aber nur geschehen auf dem Wege
des gegenseitigen Kennenlernens, das bei gemeinsamer Arbeit
erreicht wird.
Wer sich entschliesst, den Beruf eines Studentensekretärs
zu ergreifen, muss sich bewusst sein, dass seine Arbeit ein Le-
benswerk ist. Er muss ihm seine ganze Kraft widmen, selbst
Wenn er noch so eifrig durch die ehrenamtliche Tätigkeit der
Studentenausschüsse unterstützt wird. Aus diesem Grunde kann
das Amt nicht im Nebenberuf ausgeübt werden. Wenn es aber
als Hauptberuf gewählt wird, muss die Stelle auch mit einem
ausreichenden Gehalt ausgestattet sein. Die Summen hierfür
muss die Studentenschaft auf dem Wege der Selbstbesteuerung
aufbringen, denn dass etwa der Staat die Kosten übernimmt,
erscheint augenblicklich weder wahrscheinlich, noch erwünscht.
Auf demselben Wege müssen auch die Gelder aufgebracht wer-
den, die zur Durchführung der anderen grossen Aufgaben, die
oben aufgezählt wurden, notwendig sind. Und kein Student
sollte sich sträuben, sie in seinem Interesse und in dem der
Gesamtheit aufzubringen. Sie sind gering in Vergleich zu dem,
was z. B. der Arbeiter für seine Organisation bezahlt. Nur auf
Grund allgemeinen Opferwillens und tätiger Anteilnahme der
Studentenschaft können wir erfolgreich auf dem Wege fortfahren,
den wir am 17. —19. Juli 1919 mit der Würzburger Hochschul-
tagung begonnen haben.
 
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