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Zum Gedächtnis Bernhard Erdmannsdörffers

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Gänge der Geschichte mit so heiterer Ruhe betrachtete, der das „sine
ira et Studio“ sein Leben lang, so weit einem Menschen von Fleisch
und Blut dies überhaupt möglich ist, durchgeführt, er fühlte, wie in
jenen traurigen Tagen seine politische Leidenschaft geweckt wurde durch
den jähen Zorn über die namenlose Undankbarkeit, mit der man dem ge-
waltigen Schöpfer der deutschen Einheit sein gigantisches Werk vergolten
hatte. Es war ein echter, ehrlicher, hellauflodernder „furor teutonicus“,
der ihn nun erfasste und veranlasste, in die politische Arena herabzu-
steigen. Kühn und unerschrocken hat er nun den Kreuzzug gepredigt
und es gehörte zu den stolzesten Momenten seines Lebens, da er mit
den Tausenden des badischen Landes jene Wallfahrt nach Kissingen an-
trat und in Zeiten, da andere furchtsam schwiegen und in armseliger
Scheu sich zurückhielten, dem Kanzler in feurigen, begeisterten Worten
das Gelöbnis der Treue und unauslöschlicher Dankbarkeit darbrachte.
Seine Rede in Kissingen, an dem heissen Nachmittag des 24. Juli
1892 war in der That eine bedeutsame, gewaltige Kundgebung, die
nicht blos in den Herzen der Teilnehmer fortleben wird. Nicht minder
stolze und trutzige Worte hat er an jenem 1. April 1897 in Heidelberg
gesprochen, da wir das Denkmal Bismarcks enthüllt. Bei diesen Gelegen-
heiten ist die tiefe, innere Verwandtschaft mit Treitschke, dieses heisse
Feuer politischer Leidenschaft in hellen reinigenden Flammen mächtig
zu Tage getreten.

Nun ist es auch bei ihm erloschen. Bismarcks Tod hatte ihm
Schweninger mit den Worten telegraphiert: „Gönnen wir dem Einzigen
die Ruhe t« Auch von Bernhard Erdmannsdörffer dürfen wir sagen:
„Gönnen wir dem Einzigen die Ruhe!“ Alle aber, die ihn kannten und
ihm nahe gestanden, werden hinzufügen:

„Dolce nella memoria!“
 
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