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j. Wille: Pfalzgräfin Elisabeth

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frühesten Altertum bis in des gelehrten Verfassers Tage soll uns be-
weisen, in wie reichem Maasse auch die Frauenwelt an der gelehrten
Bildung aller Zeiten Teil genommen hat, dass also nach dem Schöpfungs-
plane die Frauen auch geistig dem Manne nicht untergeordnet seien.
Das war ein grosser Fortschritt in der freien Auffassung sozialer Ver-
hältnisse jener Tage gegenüber dem dogmatisch getrübten Urteile eines
reformierten Theologen des sechszehnten Jahrhunderts, der aus seinem
frommen Zweifel keinen Hehl machte, dass die Frau nach dem Ebenbilde
Gottes geschaffen sein könne, weil das göttliche Ebenbild eine Herrschaft
über die Natur bedeute.

Von solchem paradiesischen Selbstbewusstsein scheinen mir auch in
unsern Tagen noch viele befangen zu sein, weil sie sich um die Lehren
der Geschichte nicht kümmern und vieles ,im Streben der Frau selbst
nach gelehrter Bildung neu und unerhört finden, was im geistig reg-
samsten Jahrhundert der neueren Geschichte auch dem Frauengeschlechte
die höchste Menschenwürde verlieh. Denn glänzender als die Renais-
sance Italiensx) hat wohl keine andere reiche Kultur den Frauen ein
Zeugnis ihrer hohen Begabung ausgestellt. Sie hat uns gezeigt, dass
auch die Frauen fähig waren, im Mittelpunkte eines veredelnden Geistes-
lebens zu stehen, die läuternde Kraft ernster und tiefer Bildung in sich
wirken zu lassen, in der Freiheit des Wissens und Erkennens niemals
des Zwanges ächter Weiblichkeit zu vergessen und im Streite der
schrankenlosen Gewalten mit den Gesetzen feinster Sitte jener Tage
auch den Mann zu adeln. So reich an hochbegabten Frauengestalten
ist die Kultur diesseits der Alpen niemals gewesen. Figuren, wie sie
das geistige Leben der italienischen Fürstenhöfe beherrschten, wie sie
in der Villa des Antonio Alberti zu Florenz aus- und eingingen, jene
feinsinnigen, reichbegabten Frauen vermissen wir, die gerne gesehen
und bewundert, mit den Gebildetsten des andern Geschlechts über alle
Fragen des höheren menschlichen Daseins disputierten. Auf ganz
anderm Boden, in andern Formen und Äusserungen bewegt sich im Nor-
den der geistige Verkehr. Die neue Bildung ist in die Gelehrtenstube
eingezogen, erst in der Gelehrtenstube hat sie fruchtbringend gewirkt.
Diese Bildung bei den Deutschen ist nicht mehr so frei, nicht so dilet-
tantisch, so glänzend und weite Kreise umfassend, sie ist aber ernst
und tief, in einem Zeitalter, das in den Fragen des Seelenheils sich ab-

1) Janitschek, Die Gesellschaft der Renaissance in Italien und die Kunst.
Stuttgart 1879. Kap. 3.
 
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