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J. Wille

gestreckten Händen, ihren weichen Zügen und den schwärmerischen
sinnigen Augen, die sie vom Vater ererbt und der Hoheit ihrer Erschei-
nung als Erbteil der stolzen Mutter: die Prinzen Karl Ludwig und
Ruprecht. Und wie die Söhne, so machten die Töchter von sich reden.
„Der Hof der Königin, so berichtet Sorbiere, schien den Grazien zu ge-
hören, zu denen sich die schöne Welt im Haag alle Tage begab, um
dem Geist, der Tugend und der Schönheit der Prinzessinnen ihre Hul-
digungen darzubringen.“ *) Da war Louise, die Holländerin, die künst-
lerisch hochbegabte Schülerin Honthorsts, von lebhaftem Geiste, stets
ausgelassen und sans facon, lässig in der Kleidung bis in ihr hohes
Alter, da sie als Äbtissin von Maubuisson hoch aufgeschürzt im Kloster-
garten sich zu schaffen macht. Daneben ein Mädchengesicht von feinen
klassischen Zügen, voller Entzücken, Prinzessin Sophie mit dem kleinen
Munde, der so scharf und geistreich reden konnte, damals schon als
die vollendetste Lady Europas weithin in hohen Kreisen so berühmt, wie
späterhin als Freundin von Leibniz, sie die Stammmutter der englischen
und preussischen Könige! Wie ganz anders wieder die ernste gelehrte
Elisabeth.

Neidlos hat Sophie, die jüngste, das Bild dieser ältesten Schwester
als Schönheit uns überliefert.1 2) Es ist aus jungen Jahren dies Bild
mit dem feinen lebhaften Teint, der allen Geschwistern eigen war, den
braunen glänzenden Augen, dem dunkelschwarzen Haar, das ihre wohl-
gebaute hohe Stirne umsäumte. Das Ebenmass ihres geistvollen Kopfes
erhöht der kleine Mund, kaum beeinträchtigt durch die bescheiden hervor-
ragende stark gebogene Nase: „Un sujet ä rougir“ ! sagt einmal scher-
zend Sophie. Und das machte auch der Prinzessin Kummer, wenn zeit-
weise ein rosiger Schimmer diese hervortretende Partie ihres Mädchen-
gesichtchens allzustark in lebhafte Färben versetzte. Sonst war von
Eitelkeit nichts an ihr. Sie war eine ernste Natur, deren Gedanken-
welt abseits von dem Getriebe des kleinen Hofes lag, den, ihres könig-
lichen Stammes niemals vergessend, die Mutter regierte. Wenn einmal
Sophie von Hannover uns erzählt, dass die Königin sich um ihre Hunde
und Papageien mehr gekümmert habe, als um ihre Kinder, so Scheint
es, dass Prinzessin Elisabeth am wenigsten Anteil an der seltenen Gunst
der Mutter gehabt hat und beide Naturen sich wenig verstanden. Es
hätte dem ernsten, geistvollen und schönen Mädchen nicht gefehlt, der-
einst einen Fürstenthron zu zieren. Aber treu den Traditionen ihres

1) Sorbiere bei [Baillet] La vie de Mons. Descartes. Paris 1691 II, 232 ff.

2) Memoiren S. 38.
 
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