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K. Zangemeister

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man die Tüchtigkeit des jungen Gelehrten schätzte, beweist die schwie-
rige Aufgabe, die ihm zufiel. Zunächst ging sein Weg nach Italien,
nach der versunkenen und wieder entdeckten monumentalen Fundgrube
antiken Lebens, nach Pompei. Dort hat der junge Gelehrte die erste»
glänzenden Proben seines für die Entzifferung inschriftlicher Denkmale
so scharf ausgeprägten Geistes abgelegt, in der Sammlung der pompe-
janischen Wandinschriften, die unter dem Titel „Inscriptiones parieta-
riae Pompeianae“ 1871 als ein Teil des Corpus inscriptionum erschien
und nach mehrfachen Reisen des Herausgebers im Jahre 1898 eine Er-
gänzung gefunden hat. Ein Werk, das nicht allein für die Kenntnis
des antiken Lebens in seinen alltäglichen Formen, sondern vor allem
für die Kenntnis des Schriftwesens von grundlegender Bedeutung ward.
Dann aber ist er römischer Kultur am Oberrhein gefolgt, um die auch
für unsere Gegend so wichtige Sammlung der Inschriften Obergermaniens
zu bearbeiten. Seit den Tagen, da er zu uns kam, war er mit diesem
Werke beschäftigt. Es ist fast zu Ende gekommen. Mitten im
Lesen der Bogen hat ihn die tückische Krankheit befallen, müde hat er
die Feder niedergelegt, aber sein Geist weilte noch an den Stätten seiner
einstigen Thätigkeit, schon im Erlöschen irrte er noch auf den alten,
liebgewordenen Pfaden.

Diese Bände des Corpus inscriptionum sind das wissenschaftliche
Lebenswerk Zangemeisters, sie sind ein Monument der Wissenschaft wie
seines eigenen Namens, unzerstörbar und fest, gleich manchen Resul-
taten, die wir der exakten Wissenschaft verdanken. Aber sie waren nicht
sein einziges Werk. Zangemeister war nicht ausschliesslich kritischer
Sammler, sein grosses Verdienst besteht auch in der geistigen Verwer-
tung dessen, was er gesammelt. Als ein Mann von universellem gelehr-
tem Wissen hat er in seinen Forschungen, die in unübersehbaren Einzel-
schritten des In- und Auslandes niedergelegt sind, überzeugende Schlüsse
gezogen, aus den unscheinbarsten Fragmenten uns oft Blicke in das
Leben der Völker eröffnet und vor allem auf eine ganze Reihe von
Wissenschaften fruchtbringend und umbildend eingewirkt. Die Archäo-
logie, die alte Geschichte, die alte Geographie, in erster Linie die
Wissenschaft von der historischen Entwicklung der Schrift: die Paläo-
graphie, sie werden den Namen Zangemeisters lebendig erhalten. Das
römische Recht wird historisch betrachtet in den Inschriftenwerken
reiche Früchte ernten und selbst die deutsche Philologie verdankt sei-
nem Glück im Finden und seiner Handschriftenkunde, in den Bruch-
stücken des Heliand ein unschätzbares Denkmal.

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