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Maistre Francois Villon

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Saint-Hilaire“ wieder aufgestellt. Ein anderer Stein wurde auf den
Mont Sainte-Genevieve geschafft, „a grosses bandes de fer et par plastre“
festgemacht und allnächtlich von Tanzenden umschwärmt „a fleutes et a
bedons“; die Vorübergehenden und besonders die „officiers du Roy“
wurden gezwungen die Wahrung der Privilegien des Steines, der mit
dem blumenbekränzten Pet-au-Diable das Palladium der studentischen
Freiheiten geworden war, feierlich zu schwören. Als die Polizei diesem
Unfug ein Ende machen wollte, fand sie den einen Stein mit einem
Rosmarinkranz (chapeau de rosmarin) geschmückt. Noch andere Ver-
gehen wurden den „escoliers“ zur Last gelegt. Nicht allein zogen sie
Nachts durch die Strassen und schreckten die Bürger aus dem Schlafe
auf durch den Ruf „tuez, tuez“ ; sie rissen Hacken von den Fleischer-
laden und die kunstvollen Aushängeschilder und Wahrzeichen bürger-
licher Häuser, die durch ihre seltsamen Namen und Darstellungen ihre
Phantasie anregten: die „Truie qui file“ wurde mit dem „Bären“ in
Gegenwart des „Hirschen“ vermählt und der „Papagei“ dem Paar als
Hochzeitsgeschenk verehrt. Alle diese „choses qui sont detestables“
führten zu Konflikten mit der Polizei. Vierzig Studenten wurden ver-
haftet, vom Rektor der Universität feierlich zurückgefordert und im
Triumph in das Universitätsviertel verbracht, wobei der Zug der aka-
demischen Würdenträger von den Polizeibeamten angegriffen und aus-
einandergetrieben wurde. Diese stürmischen Aufzüge, die zu einer neuen
Unterbrechung des akademischen Unterrichts führten, mussten die Phan-
tasie des Magister Villon anregen; in seinem Testament erwähnt er einen
leider verlorenen, von ihm verfassten „Romant du Pet au Diable“, den
sein Freund Guy Tabarie „grossa“1); „par cayers est soubz une table.

— Combien qu’il soit rudement fait, — La matiere est si tres notable,

— Qu’elle amende tont le mesfait.“ 2) Diese Ereignisse scheinen den
ohnehin zu Müssiggang hinneigenden escolier vom Studium vollends ab-
gelenkt zu haben.

Übersehen wir die Namen der „Erben“ des Dichters, unter die er
in seinen beiden Testamenten in harmlosem Scherz oder mit heissendem
Witz sein Gut verteilt, so finden wir neben hohen Gerichtsbeamten,
würdigen Domherrn, Kaufleuten, die Schar der „enfans perduz“, die
„gracieux gallans . . . si bien chantans, si bien parlans —- Si plaisans
en faiz et en diz“, Schenkwirte, Dirnen, Abenteuerer und Diebe, die am

1) Ins Reine schreiben.

2) Der gewichtige Inhalt wiegt die Fehler auf.
 
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