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P. Ed. Schneegans

aiez pitie de moy“ mit dem wehmütigen Refrain „le lesserez la, le
povre Villen?“ (ed. Longnon S. lllf.). Hier verfasste er ein ergreifen-
des Zwiegespräch in Balladenform zwischen seinem Leib und seinem
Herzen, das dem leichtsinnigen Dichter seine Vergangenheit vorwirft
und ängstliche Mahnungen zuruft, die er mit dem Hinweis auf seine
Jugend, das Schicksal von sich weist:

— „Dont vient ce mal? — 11 vient de raon maleur.

Quant Saturne me feist mon fardelet!)

Ces maulx y meist, ie le croy“ . . .

(Debat du euer et du corps de Villen v. 67—69, S. 115.)

Im Gefängnis zu Meun erreichte Villon unerwartet ein Gnadenerlass
Ludwigs XL, dem er in überschwenglichen Worten dankt und unter
anderm wünscht „vivre autant que Mathusale — et douze beaux enfans,
tous masles — voir . . . conceuz en ventre nupeial . . .“ (Gr. Testam.
Str. VIII, IX).

Nach einem ersten kurzen Aufenthalt in Paris, wo er sich unsicher
fühlte, verfasste Villon sein Hauptwerk, le Testament (sogen. Grant
Testament). 1462 treffen wir ihn wieder in Paris, wo er in die Bande
seiner gefährlichen Freunde zurückfällt. Er verfasst für sie in dem
Jargon der Coquillards sieben Balladen, die in einer für uns schwer ver-
ständlichen Sprache die Genossen warnt vor „ces coffres rnassiz“ (Kerker)
und dem Galgen „que le grand Can ne vous. face essorer“, „qu’au
mariage ne soiez sur le banc — Plus qu’un sac de plastre n’est blanc.“1 2)
Noch einmal gerät Villon ins Gefängnis wegen eines Diebstahls, dann
infolge einer Civilklage der theologischen Fakultät, welche die Aus-
lieferung der ihr einst geraubten Summe von 120 Goldthalern verlangte.
Seinen Freunden verdankte Villon zwar die Freiheit, gleich darauf aber
wurde er nach einem nächtlichen Gelage in eine Schlägerei verwickelt
und verhaftet.3) Jetzt schien er dem Tode verfallen zu sein. In der
schauerlichen Ballade des Pendus schildert er sich bereits als am Galgen
hängend und bittet die Vorübergehenden um Mitleid. Aber das Parla-
ment nahm das Todesurteil zurück und verbannte Villon auf 10 Jahre
aus Paris.

Von da an verlieren wir die Spur Villon’s. Eine Anekdote in Ra-
belais’ Pantagruel lässt ihn in St. Maixent (Poitou) eine Mysterien-

1) Last, Päckchen.

2) „Dass die Sonne (grand Can, von Khan) euch nicht austrockne“. „Dass ihr
nicht beim Henker auf dem Schafott (banc) weisser seid als ein Sack voll Gips“.

3) S. G. Paris, Villon p. 68 f.
 
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