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Texte aus der Prosa herausfällf? Und muß es nicht auffallen, daß gerade
in den älteren Landfrieden sich mancherlei Metrisches findet? Es ist, als
ob der Übergang von der gebundenen in die ungebundene Rede schwer
gefallen wäre; als ob die Verse Rückfälle in alten Brauch wären. Gewiß
ist es nicht schwer, die vereinzelten metrischen oder sogar gereimten
Stücke auch anders herzuleiten, ja ihre Herkunft aus anderer Wurzel liegt
sogar nahe genug. Aber daß Versbruchstücke im Prosatexte überhaupt
Aufnahme fanden, setzt eine gewisse Bereitheit voraus. Oder hat viel-
leicht gar Erinnerung mitgespielt?
Der Sachsenspiegel zeigt an einzelnen Stellen Reime, die so volks-
mäßig klingen, daß man versucht ist, an die Übernahme aus irgendeiner
älteren Quelle volkstümlicher Herkunft zu denken. Darauf hat Ernst
Heymann seinerzeit schon hingewiesen; vgl. Forschungen zur branden-
burg-preußischen Geschichte 37 (1925) S. 173. Wie weif es sprichwort-
artige Rechtsregeln oder vielleicht andere Typen der volkstümlichen
Dichfgaftungen waren, die dem Sachsenspiegler in den Ohren klangen, als
er sein Buch verfaßte, das mag noch dahingestellt sein. Vielleicht wird
ein glücklicher Zufallsfund uns gelegentlich diese Rätsel lösen. Mit aller
Vorsicht und mit einem deutlichen Fragezeichen aber darf wohl doch
darauf hingewiesen werden, daß die Verse Sachsenspiegel II 51 § 2,
(unten Beispiel 102) ebensogut in einem Nachfwächferruf stehen könnten.
Zahlreich sind die metrischen Bestandteile in den Landfriedens-
gesetzen. Ich habe in der Festschrift für Friedrich Panzer 1930 (Beiträge
zur neueren Literaturgeschichte, Neue Folge 16) S. 61 ff. den Spielmanns-
vers:
,Swer einen spilman haben wil, der sol in auch beraten*
behandelt. Ob jedoch dieser Vers einem größeren Stück einer Dichtung
oder einem gereimten Landfrieden entstammt, und geradenwegs aus dem
Spielmannsvortrag1 den Weg in die Gesetzesfassung gefunden, das wagte
ich nicht zu entscheiden. Es ist aber hier angebracht, noch weitere Bei-
spiele von Verszeilen aus den Landfriedenstexten zu bringen (unten Bei-
spiel 103).
Auch im Augsburger Stadfrechf, im Deufschenspiegel und andern
frühen Quellen finden sich metrische Anklänge (Beispiele 104—108).
Wenn wir die gesammelten Beispiele für Vers und Reim in Rechts-
quellen und im Rechtsleben zusammenfassen als Rechfsverse, so ist damit
keineswegs gesagt, daß sie aus einer einheitlichen Idee entsprungen sind
1 Eine gewisse Parallele dazu sehe ich darin, wenn Mandate und Aufrufe
Maximilians I. in seinem Auftrag in Volksliederverse übertragen wurden. Vgl.
v. Liliencron, Historische Volkslieder II, 43 ff. (ein Mandat von 1511). Diederichs,
Kaiser Maximilian I. als politischer Publizist, 1932, S. 32.
 
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