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Jahre 1735 einfache Reimf ragen zwischen Richter und Scharfrichter. Bei
der Galgenerrichtung ruft der Scharfrichter:
Herr Richter, her!
worauf der Richter fragt:
Was ist Euer Begehr?
Und umgekehrt ruft später der Richter:
Scharfrichter her!
worauf dieser fragt:
Was ist herrn Richters Begehr?
Dazu gesellt sich die Ausrufung der Marktfreiheit (vgl. Bei-
spiel 4). Auch das Aussprechen der Bannformel, durch die jemand aus
der Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen und in die Ächt erklärt wurde,
geschah in feierlicher Handlung, bei der sich rechtlicher und zauberischer
Zweck zu wirksamer, poetischer Form verbanden; Ächtung und Ver-
fluchung gingen ineinander über (vgl. Grimm, Rechtsaltertümer I, 57 ff.).
Wo aber kam es mehr auf feste, gebundene Form an, als beim Eid,
bei dem sich religiöser Ritus und Rechtsvorschrift vereinigten? Rhyth-
mus und Reim sind daher immer wieder in den Schwurformeln an-
zutreffen.
Als Beispiele seien angeführt ein Stück aus einem Femschöffeneid,
dann aus einem Stadtschöffeneid und ein Deichgeschworeneneid (unten
Beispiel 5—7).
Auch die eigenartigen Judeneide weisen, vom Erfurter Tudeneid des
12. Jahrhunderts an, Reime auf; vgl. Beispiele 8 und 9.
Die feierlichen und eindringlichen Eidesermahnungen, die
Meineidsverwarnungen eigneten sich sehr für eine dichterische Fassung.
Im Berliner Stadtbuche begegnen wir Versen (Beispiel 10); ebenso im
Stadtrecht von Mellingen (Beispiel 11), im Ermreuther Gerichtsbuch (Bei-
spiel 12) u. a. m.
Auf Höhepunkten menschlichen Lebens ist das Bedürfnis nach fest-
licher, würdevoller Sprache besonders groß. So geben Verlobung und
Hochzeit in Sitte und Rechtsbrauch reichlich Anlaß zu gebundener
Rede; vom Werbespruch des Freiers an bis zum Spruch des Laders und
zum Äbdankespruch. Uralt und weitverbreitet ist die kurze Verlobungs-
formel:
Ich bin dein
Du bist mein.
vgl. Singer, Karolingische Renaissance, Germanisch-Romanische Monats-
schrift 15 (1925) S. 193, wo namentlich englische und französische Pa-
rallelen. Sehr anschaulich wird uns dies aus einer Erzählung im Lalebuch
(1597); siehe Beispiel 13.
 
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