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Als ein besonders altes Stück der Rechtspoesie anläßlich einer Ver-
mählung dürfen wir den westgotischen Morgengabsbrief in lateinischen
Hexametern betrachten, der uns in den westgotischen Formeln erhalten
ist. Sie stammen aus dem Anfang des siebenten Jahrhunderts. Zeumer
lehnt die Ansicht ab, daß hier ein Beispiel von Versspielerei vorliege; er
meint vielmehr, der Verfasser der Sammlung habe diese 90 Hexameter
aus einer echten Urkunde abgeschrieben. Vgl. Zeumer, Formulae 583 ff.
Auch beim Ritterschlag war gebundene Rede am Platze; vgl.
Wittenweiler, Ring 51 d. 42:
Er schluog seu mit der chling entwerchs
Und ward in singend diesen vers:
„Hie besser ritfer denne knecht“
Die andern sprachen!: „Daz ist recht“.
Allbekannt sind die Reimsprüche im Handwerksrecht, wie sie
namentlich bei der Aufnahme als Lehrling und beim Lossprechen zum
Gesellen Gewohnheit und Brauch waren.
Manchmal sind es Warnungen vor Rechtsbruch, die in kür-
zere oder längere Reime gefaßt werden. Zu den schon erwähnten Mein-
eidsverwarnungen treten die zahlreichen Ermahnungen an die Richter,
wie sie teils auf Gerechtigkeitsbildern in den Gerichtssälen stehen, teils
in Rechtsbüchern zu Anfang oder Ende aufgenommen sind. Hier ist
namentlich Gelegenheit zu biblischen Hinweisen. Nach dem Stromer-
sehen Memorialbuch vom Jahre 1581 (vgl. Anzeiger des Germ. Museums
1874, S. 184) standen an der Wand der „Werichstube“ zu Nürnberg la-
teinische und deutsche Verse (Beispiel 14). Unter Gerechtigkeitsbildern
waren sie am Platze (Beispiel 15).
Aus Rechtsbüchern sei auf eine Reihe von Beispielen (16—19) hin-
gewiesen.
Auf den Spruchbändern von Bildern stehen häufig Verse (Beispiel 20
und 79); berühmt und verbreitet waren die Holzschnitte der Bambergi-
schen Halsgerichfsordnung mit ihren Spruchbändern. Sie haben gewiß
zur Verbreitung und Volkstümlichkeit des Buches beigefragen. Wir kön-
nen auch in Einzelfällen die Übernahme von Sprüchen in andere Werke
nachweisen. Der letzte Spruch des 21. Holzschnittes ist in einer Hand-
schrift des ostfriesischen Landrechts eingetragen; vgl. Beispiel 23. Die
Verse über die Taschenrichter des gleichen Holzschnittes begegnen in
einer Auricher Handschrift, die in ihre Ermahnungssprüche an die Richter
auch noch die Verse des 23. Holzschnittes der Bambergensis auf nimmt
(Beispiel 24 und 79).
Auch mitten im Text sind Verse eingestreut (Beispiel 22 und 23).
Namentlich aber sind Schlußverse häufig (Beispiel 23 und 80—83).
 
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