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Herfarth, Christian [Hrsg.]; Bartsch, Helmut [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Gesundheit — Berlin, Heidelberg, New York, 50.2006 [erschienen] 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.3464#0182

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174 Alwin Krämer und Anthony D. Ho

der University of Wisconsin, Madison/USA, war es damals gelungen, aus sieben
Tage alten Embryonen Stammzellen zu isolieren und daraus mehrere Zelllinien
zu etablieren. Wie sich bald herausstellen sollte, eröffnete diese Methode völlig
neue Perspektiven für Gewebezucht und Organersatz [1-3]. Das anscheinend
unbegrenzte Vermehrungs- und entwicklungsbiologische Potenzial embryo-
naler Stammzellen als Jungbrunnen für die regenerative Medizin hat Fantasie
und Horrorvisionen sowohl von Wissenschaftlern als auch der breiten Öffent-
lichkeit entfesselt. Die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen, die zu
diesem Zwecke geopfert werden, wirft zahlreiche ethische, moralische und
rechtliche Fragen auf, die weltweit mit großer Heftigkeit diskutiert werden.

Fast zur gleichen Zeit haben Experimente mit Stammzellen aus erwachse-
nen Organismen (so genannte adulte oder somatische Stammzellen) ebenfalls
eine beeindruckende Zahl vielversprechender Daten geliefert [Übersicht: 4].
So konnte gezeigt werden, dass sich diese nicht nur zu Zellen des Ursprungsor-
gansystems, sondern auch zu Zellen anderer Gewebearten entwickeln können:
aus Blutstammzellen werden Knochen- und Knorpelzellen, Sehnen-, Muskel-
und Leber- sowie Nervenzellen [5-9]. Diese so genannte Transdifferenzierung
wurde vor allem im Tiermodell nachgewiesen. Gegenüber embryonalen Zellen
haben adulte Stammzellen den Vorteil, dass sie aus ethisch unproblematischen
Quellen gewonnen werden, nämlich aus dem Nabelschnurblut Neugeborener
oder aus Gewebe erwachsener Menschen. Andererseits lassen sich viele der
initialen Experimente, die ein „Plastizitätspotenzial" der adulten Stammzellen
beweisen sollen, nicht reproduzieren.

Nach wie vor ringen biopolitische Akteure in Deutschland, Europa und
weltweit um eine Neuregelung der Forschung an menschlichen embryonalen
Stammzellen. Das Stammzellgesetz in Deutschland wurde im Juni 2002 im
Bundestag bestätigt. Eine zentrale Ethikkommission hat vor drei Jahren ihre
Tätigkeit aufgenommen. Von einem Dammbruch und einem Ansturm auf die
embryonale Stammzellforschung kann jedoch bei bisher nur ca. 15 eingereich-
ten Anträgen nicht die Rede sein. Die Expertise für sinnvolle Experimente ist
limitiert, Visionen übertreffen die Realitäten bei weitem.

Was ist eine Stammzelle?

Stammzellen sind Mutterzellen oder Ursprungszellen, aus denen sich andere
Zellen mit speziellen Funktionen im Organismus ableiten. Sie zeichnen sich
durch ihre duale Fähigkeit zu unbegrenzter bzw. dauerhafter Selbsterneue-
rung einerseits und zur Produktion hochspezialisierter Nachkommenzellen
andererseits aus [4].

Am Beginn der Entwicklung eines Säugerorganismus steht eine einzige to-
tipotente, embryonale Stammzelle, die befruchtete Eizelle. Aus ihr entwickeln
sich mehr als 200 unterschiedliche Zelltypen, welche beim Menschen mehr
als 1013 einzelne Zellen bilden. Zwischen totipotenter Stammzelle und spezifi-
 
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