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Herfarth, Christian [Hrsg.]; Bartsch, Helmut [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Gesundheit — Berlin, Heidelberg, New York, 50.2006 [erschienen] 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.3464#0240

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232 Wiltrud Richter

denste angeborene Missbildungen dingfest zu machen und mit Genen der
normalen Skelettentwicklung in Verbindung zu bringen. Die genaue Charak-
terisierung dieser Gene, der vorhandenen Schäden und die Aufklärung der
Funktion des zugehörigen Proteins hat uns neue Einblicke in die molekularen
Aspekte der Skelettentwicklung gegeben und wird neue Wege aufzeigen, wie die
Behandlung orthopädischer Erkrankungen verbessert werden kann. Mit 33 be-
troffenen Fällen pro 100 000 Einwohner kommen Missbildungen des Skeletts
häufiger vor als bösartige Knochentumoren. Viele betroffene Kinder überleben
ihre schweren Missbildungen jedoch nicht, und unter den Überlebenden stel-
len Knochendysplasien die größte Gruppe der Betroffenen.

Seit 1969 wurden zahlreiche internationale Konferenzen organisiert, um
angeborene Skelettdeformitäten sinnvoll zu klassifizieren und eine allgemein
akzeptierte Nomenklatur zu entwickeln. Für Knochendysplasien wurden Klas-
sifikationen vorgeschlagen, die ausschließlich auf radiologischen Kriterien be-
ruhten und etwa 175 verschiedene Erkrankungen unterschieden. Andere Klas-
sifikationen bezogen Alter, Gesichtsanatomie, Skelettmissbildungen und nicht-
skelettale Veränderungen als Parameter ein oder stützten sich auf embryo-
logisch relevante Fehlentwicklungen [23]. Verkürzte Röhrenknochen, Beteili-
gung der Wirbelsäule und der Rippen sowie Schädeldeformitäten sind häufige
Ausprägungen vieler skelettaler Missbildungen. Daneben kann es aber auch zu
Veränderungen in der Anzahl von Fingern und Zehen oder einer allgemeinen
Erhöhung oder starken Erniedrigung der Gesamt-Knochenmasse kommen
(Tabelle 1). Die Anwendung von Klassifikationen auf Basis des klinischen Er-
scheinungsbildes und von röntgenologischen Untersuchungen wird dadurch
kompliziert, dass große Variationen in der Ausprägung von Symptomen und
eine beträchtliche Überlappung zwischen scheinbar unterschiedlichen Miss-
bildungssyndromen existieren.

Die Fortschritte in der Molekularbiologie haben dazu geführt, dass für ei-
ne Vielzahl der Erkrankungen Fehler in bestimmten Genen und damit Verän-
derungen wichtiger Stoffwechselwege aufgedeckt werden konnten, die nun die
Basis für ein völlig neues Klassifikationssystem bilden können. Dieses bie-
tet die Chance, den genetischen Defekt unmittelbar mit dem klinischen Er-
scheinungsbild zu korrelieren. Dabei wurde überraschend deutlich, dass bis-
her klinisch und radiologisch völlig unterschiedlich eingestufte Erkrankun-
gen auf Mutationen in ein und demselben Gen beruhen können und somit,
vom molekularen Standpunkt gesehen, in eine einzige Kategorie fallen. Oft
ist es jedoch möglich, Mutationen in einem bestimmten Gen einem bestimm-
ten Phänotyp zuzuordnen. Durch anhaltende Fortschritte in der Molekular-
biologie und Humangenetik konnte inzwischen ein sehr breites Spektrum an
betroffenen Genen identifiziert und angeborenen Missbildungen zugeordnet
werden, wobei die Geschwindigkeit, mit der neue Assoziationen bekannt wur-
den, in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. Häufig sind es Moleküle der
extrazellulären Matrix, welche die Zellen des Körpers umgibt, die durch ge-
 
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