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Herfarth, Christian [Hrsg.]; Bartsch, Helmut [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Gesundheit — Berlin, Heidelberg, New York, 50.2006 [erschienen] 2007

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3464#0319

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Die neuen Aufgaben der Psychosomatischen Medizin 313

geführt hatten und meist auch nicht behandlungsbedürftig waren. Häufigste
psychische Diagnosen waren neurotische Störungen mit 18 Prozent - davon so-
matoforme Störungen 5 Prozent - Suchterkrankungen mit 5 Prozent und affek-
tive Störungen mit 3 Prozent. Die durchschnittliche Liegedauer war beim Vor-
liegen einer psychischen Diagnose erhöht: Bei Hauptdiagnosen war dieser An-
stieg mit bis zu 8 Tagen erheblich, bei psychischen Begleitdiagnosen mit 3 Ta-
gen noch immer auffällig. Besonders erhöht war die Liegedauer bei Patienten
mit dementieilen Syndromen, Anpassungsstörungen, Essstörungen und Per-
sönlichkeitsstörungen. Psychosomatische Experten werden im Rahmen von
Konsiliaruntersuchungen häufig in der Inneren Medizin (55 Prozent der An-
forderungen psychosomatischer Konsildienste) angefordert. Anlass der Anfor-
derungen sind die Abklärung unklarer körperlicher Symptome (43 Prozent),
explizit von Patienten angegebene psychische Beschwerden (24 Prozent) und
Probleme der Krankheitsverarbeitung (10 Prozent). Die häufigsten Diagno-
sen sind erneut neurotische Störungen, Verhaltensstörungen, affektive Stö-
rungen und Substanzmissbrauch.10 Alle Pionierleistungen und Fortschritte
in medizinischen Grenzgebieten, wie z.B. der Transplantationsmedizin (Or-
gantransplantation wie auch Knochenmarkstransplantationen, Nutzung der
Molekulargenetik und Umgang mit Ergebnissen in der genetischen Beratung
etc.) werden in der Initialphase (mehr als nach bewährter und routinierter
Anwendung) besondere Ängste mobilisieren und damit zur Projektionsfläche
psychischer Verunsicherung und psychischer Störung. Entsprechend entsteht
hier regelhaft ein besonderer Therapie- und Beratungsbedarf.

Die große Zahl der betroffenen Patienten und der Ort, an dem sich das
Hilfsbegehren artikuliert, machen die Entwicklung und Evaluation besonderer
Behandlungsoptionen erforderlich. Diese sollten niederschwellig sein, d. h. am
Ort ohne schwierige Überweisungswege erreichbar und dem medizinischen
Kontext angemessen sein. Die Überweisung in eine spezialisierte Praxis ist in
aller Regel wenig erfolgversprechend.

Die Behandlungen sollten von den primär angesprochenen Kollegen emp-
fohlen und möglichst auch durchgeführt werden; eine enge Rückkopplung des
Verlaufs fördert die Akzeptanz. Insgesamt muss die Grundhaltung kooperativ
sein. Schließlich sollten die Angebote gestuft erfolgen: Kleinere „Therapiepor-
tionen" mit begrenztem Therapieziel sollten am Anfang stehen; daran können
sich gegebenenfalls bei weiterem Bedarf ergänzende weiterführende Angebote
anschließen.11

Am Beispiel von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen,
die in der Rheumaambulanz der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg
behandelt wurden, ließ sich der Zusammenhang von psychischer Komorbi-
dität und Arbeitsunfähigkeit bei körperlich Kranken zeigen. Von knapp 360

10 Janssen et al. 1998.

11 Herzog et al. 2003,348.
 
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