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Samſtag, den 9. Januar 1869.

2. Jahrg.

Preis monatlich 12 kr.

Et ſeant Mittwoch und Samſta g.

und bei den Trägern

tinzelne Nummer à 2 kr.
Anstoänts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Man abonnirt in der Druckerei, Untereſt. 9

——— — SDSDSSSS —

Möwerpriis.
Eine ſchleswig'ſche Geſchichte voa Maria v. Ros kows a.
Cortſetzung) ö

„Zum Räthſellöfen bin ich nicht aufgelegt. Es

handelt ſich augenblicklich auch nur darum, daß Du
Uleſen nichts in den Weg legſt. Sonſt zeige ich ihm
nicht allein dies Schreiben, ich berathe mit ihm auch,
welche Maßregel ſich gegen dieſen Mann nehmen laſſen.

Er iſt erfinderiſch, nicht ſerupulos und gewiß bereit,

mich rächen zu helfen.“

Flehend erhob ſie die gefalteten Hände. „Nein,

nein, Harald, das thuſt Du nicht; laß es wenigſtens

nicht ihn, der ja völlig ſchuldlos iſt, entgelten —“
Er unterbrach ſie mit höhniſchem Lachen. „Völlig
ſchuldlos — in Wahrheit! Freilich, Du biſt ſchuldiger.“
Sie rang die Hände. „Laß es mich denn büßen —

mich allein, Ellſtädt! Aber Du kannſt nicht ſo — f 0

gemein —“
„Keine unnützen Redensarten — es bleibt dabei!⸗
Statt der Antwort ließ ſie den Kopf ſinken, gebeugt,
entmuthigt.

Das helle Gelächter einer Kinderſtimme erſcholl

und gleichzeitig ward die Thür haſtig geöffnet. La-
chend und erhitzt erſchien ein etwa achtjähriges Mäd-
chen an der Hand der Tante Hilda; dieſe warf einen
ſchalkhaften Blick zurück. ö
„Was ſoll das, Thyra?“
„Ach nichts, Vater. Der Magiſter wollte mich küſ-
ſen uad mit der Tante im Garten ſpazieren gehen.
Aber wir moͤgen ihn Beide nicht, wir machten uns
davon und er hat uns richtig nicht hekommen. Wenn's
noch die Mutter wäre, die nicht laufen kann — aber
wir!“
Ellſtädt unterbrach die Jubelnde mit einem Ver-
weis über dieſe Wildheit, die ſich für ein Mädchen
durchaus nicht ſchicke.
Hellene hatte ſich aufgerichtet, unwillkürlich, in alt-
gewohnter Selbſtbeherrſ ſchung. Bei dem Geplauder des

Kindes ſchien ihr plötzlich ein Gedanke zu kommen;

ſinnend ſchaute ſie vor ſich hinaus. Dann ſpiegelte
ö 8 ſich wie die Klarheit eines Entſchluſſe in ihren
Zügen.
7 „ Anna, komm her!.
die wieder am Fenſter Platz e ſenommen hatte und ſich
aus der Nichte und dem Rähtiſch einen Wall bildete

gegen den Magiſter, der eben eintrat. Anna ſchien an
Verweiſe vom Vater eben ſo gewöhnt wie an die Nach-
ſicht der Uebrigen, beſchäftigte ſich ſchon mit etwas
Anderem. „Warum werden wir niemals eingeladen?“
fragte ſie und ſchaute Einen nach dem Andern an.
„Und warum ſpielen keine Kinder mit mir?“
Weder die Eltern antworteten, noch die ſonſt zu
jeder Auskunft ſo bereite Tante. Die Antwort aufß
Kinderfragen iſt bisweilen ſchwer. Eine drückende
Pauſe entſtand. Der Magiſter unterbrach ſie.
„Die Leute hier ſind Aufrübrer — ſchlechtes Volk.
Dein Vater iſt ein treuer Diener der Regierung, er
kann und mag mit ihnen nicht umgehen. Verſtehſt Du?“
Sie nickte altklug. „O ja. Vater iſt ein Dänen-
freund — ruft mich ja immer Thyra und ich heiße
doch Anna. Aber neulich war ein großes Mittag deim
Amtmann und geſtern ein Thee beim Actuar, warum —“
„Deine Mutter und ich würden nicht hingehen,
auch wenn wir geladen wären,“ ſprach Hilda raſch,
mit erglühenden Wangen. Die Lippen ihrer Schweſter

bebten

„Verſteht ſich. Ich ſpiele auch nicht gern mit Kin-
dern aus Kopenhagen — kann ja nicht däniſch. Aber

der Vater möchte eingeladen ſein, Sie werden wohl

wiſſen Herr Magiſter, warum er — —
Die kindiſche Indiscretion hatte einen ſehr wun-
den Fleck berührt, die Mutter der Kleinen vergebens
Schweigen zugewinkt. Zornig fuhr Ellſtädt auf. Ule-
ſen beeilte ſich jedoch, zu ſagen:
„Der Vater, liebes Kind, iſt in dieſem Kreiſe un-
beikommend.“ Er konnte ſeine Freude über die De-
müthigung des „Freundes“ und ſeiner Gattin nicht
zurückhalten. Beſonders der Letztern gönnte er die-
ſelbe. Helene blickte ihren Mann an, bedeutungsvoll
und nicht ohne Spannung.
Sie hoffte, er werde ſich erzürnen, über den Colle-
gen ſowohl wie über deſſen Partei, der zu dienen ein
ſo undankbares Geſchäft ſei. Er vermied es jedoch,
ihrem Blick zu begegnen, grollte nur dem Kinde, das

verwundert ausrief:
„Unbeikommend?“ Was heißt das wieder? Ich

verſtehe Ihr Deutſch ſo oft nicht!“

„Iſt auch gar nicht nöthig, Paudertaſche!⸗ zürnte

der Vater.
Das Rind hüpfte zu Hilda,

Eleichzeitig. ſchnitt Hilda fernere Erörterungen ab.
„Ein däniſcher Kunſtausdruck, um den Du Dich
nicht zu kümmern brauchſt; wir thun es ja auch nicht.“
Der Magiſter fühlte, daß er ſeine Angelegenheit
 
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