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Heidelberger Volksblatt (2) — 1869

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Nr. 10 - Nr. 11 (3. Februar - 6. Februar)
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Heidelberger Vollsblatt.

Nr. 11.

———

Samſtag, den 6. Februar 1869.

2. Jihrg

erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Untereſtr. 9

und ber den Trägern

Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.


— ter, um ihre Thränen zu verbergen. Es ſchien, Beide
Möwenpriis. ö hätten die ihrem Alter und Weſen entſprechenden Rol-
Eine ſchleswig'ſche Geſchichte von Maria v. Ros kowska. ten mit einander vertauſcht, Hilda ſei die Aeltere,
ine ſchleswig (Cenſchmg) „arbwsna die Erfahrenere, welche die Jüngere belehre, tröſte und

„Das iſt Nebenſache.“
Alſo — Dein Plan?“ Sie blickte nach der Straße,
wo eben mehrere Perſonen vorüber gingen, es lebhaft
wurde von heimkehrenden Möwenfängern.
„War — Uleſen, um ihn von Dir abzuziehen — ſel-
ber zu erobern.“
„Ah!“ Noch vor wenigen Stunden hätte Hilda wahr-
ſcheinlich hell aufgelacht bei der Idee. Jetzt blickte ſie
ihre Schweſter vorwurfsvoll an.
„Nun, meinſt Du, das werde mir nicht gelingen?“
Der muntere Ton war erzwungen.
Hilda ſchüttelte den Kopf. „Ich begreife nicht, wie
Du ſo ſcherzen magſt.“ ö ö
„Es war durchaus nicht Scherz, ich verſichere Dich.
Und Du mußt zugeben, es iſt ein ſo kluger Gedanke,
ie irgend einer. Denn nicht allein, daß der Magiſter
von Dir abließe, Ellſtädt würde dadurch zur Eiferſucht
gereizt gegen dieſen und ſo vermocht, mit ihm zu bre-
en, wozu ich ihn ſonſt doch nicht bringen kann.“ Durch
ilda's Miene etwas pikirt, war ſie zu größerer Offen-
heit hingeriſſen worden, als ſie beabſichtigt hatte.
„Niemals würde ich es dulden, daß Du um mei-
netwillen zu einer ſo ſchmählichen Erniedrigung Dich
erabließeſt!“ Das Zartgefühl und der mädchenhafte
Stolz Hilda's war ſo lebhaft erregt, ſprach ſich in
lick und Ton ſo beredt aus, daß Helene eine Art
eſchämung empfand. „Ein ehrlicher Kampf, kein fal-
ſches Spiel! Es ziemt uns nicht, namentlich nicht hier.
Wenigſtens nicht in dieſer Weiſe, die eine Herabwür-
igung für Dich väre. Ich entzog mich vorhin freilich
auch durch eine Liſt der Nothwendigkeit, deim Möwen-
driis zu ſein; allein das war doch etwas ganz Anderes.
bend dennoch würde ich es jetzt nicht mehr thun, lie-
er offen erklären, ich hätte des Magiſters Anſchlag
ernommen. Wie vorhin Du mir, rufe ich jetzt Dir
zu: keine Schwäche! Nur dieſe iſt's, welche den Leuten
acht und Gewalt über uns giebt. Und im ſchlimm⸗—
Gl Fall iſt es doch immer die Hauptſache, ſich die
elbſtachtung zu bewahren.“
die Helene hatte bewegt in ihr glühendes Antlitz, in
A leuchtenden Augen geſchaut. Jetzt ſchlug ſie den
em um Hilda und lehnte ihr Geſicht auf deren Schul-

müthig zugleich:

ſchütze. Wie zaghaft und rathlos war ſie vorhin ge-
weſen! Nun richtete ſie ermuthigend Helene auf, die
ſonſt bei der Kränklichkeit der Mutter in einem faſt
mütterlichen Verhältniß zu der jungen, vaterloſen
Schweſter geſtanden hatte.
„Zudem, Leni, Du ſagteſt ſelber, dieſe Art Leute
ſcheuten nichts. Meinſt Du, es ſei, auch abgeſehen
von dem Unrecht und der Entwürdigung, der Klugheit
gemäß, ſich in ſolcher Weiſe mit dem Magiſter ein-—
zulaſſen? Gefieleſt Du ihm wirklich, es könnte Dir leicht
gefährlicher werden als mir ſeine, Bewerbung. Dieſer
denke ich übrigens nicht Trotz zu bieten, es würde da-
bei zu allzu peinlichen Auftritten kommen. Ich hoffe,
es findet ſich noch irgend ein Freund unſeres Vaters,
der mir ein Aſyl bei ſich gewährt, bis ich eine Stelle
erhalte. Daß Ellſtädt vom Gericht zu meinem Vor-
mund beſtellt worden, iſt nun freilich ſchlimm; allein
mit Gewalt kann er mich doch nicht in ſeinem Hauſe
behalten, wenn ich nicht bleiben will.“
Helene umſchlang ſie feſter, bewundernd und weh-
„Du haſt recht in Betreff Uleſen's.
Ich koͤnnte mich darüber wundern, woher Du ein ſol-
ches Verhältniß richtiger auffaßteſt als ich, obſchon
mir auch Ellſtädt einen Wink darüber gab, wüßte ich
nicht, daß das ſicherſte, ja das einzig wahre Urtheil
nicht erfahrenen Köpfen, ſondern reinen Herzen inne-
wohnt. Mit der Ueberzeugung, das Rechte gelange
unter allen Umſtänden zur gebührenden Anerkennung;
mit dem Glauben der Jugend und Unſchuld, es ſei
immer und überall möglich, ein Ziel nicht allein zu
erreichen, ſondern auch offen, auf geradem Wege zu
erreichen, mit dieſem Glauben verlieren wir mit der
Zeit auch leider gar leicht den Abſcheu und die Scheu
vor Umwegen, vor dem Moraſt, der meiſt neben dem
geraden Weg liegt, Das Leben ernüchtert nicht nur,
es — beſudelt auch.“
Wieder ſchüttelte Hilda eifrig den Kopf. „Nicht,
wenn wir ſelber den Moraſt nicht lieben und ſuchen
— mit aller Kraft auf dem rechten Wege zu bleiben
trachten.“
Die Andere lächelte trübe. „Bei jedem Schritt
vorwärts auf dem Lebenswege haften ſich uns Erd-
atome an, wie dem Reiſenden der Staub der Land-
ſtraße. Ellſtädt drohte, der Mutter könne wieder die
 
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