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Heidelberger Zeitung — 1886 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52469#0596

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geschlagen, zu untersuchen, ob es nicht möglich wäre, Ir-
land einen eigenen gesetzgebenden Körper zu geben, und
zwar unter Bedingungen, wie sie die Ehre und die Inte-
grität des Reiches erheischen. Es gebe überhaupt nur zwei
Wege für die Politik, über welche das Land zu entscheiden
habe, ob nämlich die Regierung Zwangsmatzregeln anwen-
den tolle oder ob man die Irländer selbst ihre eigenen An-
gelegenheiten regeln lassen wolle. Gladstone bestreitet den
Gegnern seiner Vorlage das Recht, die letztere unter Be-
rufung auf die Union zu verwerfen; die Union, welche er
abzuändern trachte, sei eine solche, die nur auf dem Papier
stände, erlangt durch Gewalt und Täuschung, und
niemals von dem irischen Volke sanktionirt. Gladstone
sagt schließlich, es sei unmöglich, die irische Frage mit
halben Maßregeln zu behandeln; er habe seinen Antheil
für die Lösung der Frage gethan, das übrige zu thun
komme nun den Wählern zu._
Die Vorgänge in Bayern.
München, 14. Juni. Das Gesetz- und Verordnungs-
blatt enthält nachfolgendes Thronfolge- und Regen t-
s chaftspatent:
Im Namen Sr. Majestät des Königs. Bayerns königliches
Haus und sein in Glück und Unglück treu zu demselben stehendes
Volk ist vom schwersten Schicksalsschlage getroffen. Nach Gottes
unermeßlichem Rathfchlusse ist Se. Majestät König Ludwig II.
aus dieser Zeitlichkeit geschieden. Durch diesen das ganze Vater-
land in schmerzlichste Betrübniß versetzenden Todesfall ist das
Königreich Bayern in der Gcsammtvereiniguiig aller seiner ältern
und neuern Gebietstheile nach den Bestimmungen der Verfassungs-
urkunde auf Grund der Haus- und Staatsverträge uuserm viel-
geliebten Neffen, dem Bruder weiland Sr. Majestät, Sr. König-
lichen Hoheit, dem Prinzen Otto, jetzt Majestät, als nächstem
Nachfolger nach dem Recht der Erstgeburt und der agnatisch-liue-
alen Erbfolge eingefallen. Da Allerhöchstderselbe durch ein schon
länger andauerndes Leiden verhindert ist, die Regierung Aller-
höchstselbst zu führen, so haben wir als nächstberufener Agnat
nach den Bestimmungen der Verfassungsurkunde in Allcrhöchst-
dessen Namen die Reichsverwesung zu übernehmen. Die nach der
Verfassung erforderliche Einberufung des Landtags ist bereits
verfügt. Indem wir, im Namen Sr. Majestät des Königs, die
Reichsverwesung hiermit übernehmen, versehen wir uns zu
allen Angehörigen der bairischen Erblande, daß sie Se. Majestät
den König als ihren rechtmäßigen und einzigen Landesherrn so
willig als pflichtmäßig erkennen und Allcrhöchstdemselbcn und uns,
als dem durch die Verfassung berufenen Regenten, unverbrüchliche
Treue und unweigerlichen Gehorsam leisten. Damit der Gang
der Staatsgeschäfte nicht unterbrochen werde, befehlen wir, daß
sämmtliche Stellen und Behörden ihre Verrichtungen bis auf
nähere Bestimmung wie bisher nach ihren Amtspflichten fortsetzen,
die amtlichen Ausfertigungen von nun an im Namen Sr. Maje-
stät des Königs Otto von Bayern, wo solches vorgeschrieben ist,
erlassen, bei der Siegelung aber sich der bisherigen Siegel so
lange, bis ihnen die neu zu fertigenden werden zugestellt werden,
bedienen sollen. Wir wollen alle Bediensteten an den von ihnen
geleisteten Verfassungs- und Diensteid besonders erinnert haben
und versehen uns gnädigst, daß alle Unterthanen Sr. Majestät
dieser unserer im tiefen Schmerz im Name» des Königs an sie
gerichteten Aufforderung in Treue folgen.
Gegeben zu München, den 14. Juni 1886.
Luitpold, Prinz von Bayern.
Dr. Frhr. v. Lutz. Dr. v. Fäustle. Dr. v. Riedel.
Frhr. v. Crailsheim. Frhr. v. Feilitzsch, v. Hein leih.
-i- *
München, 15. Juni. Die Leichenfeier für den
verstorbenen König ist noch nicht festgestellt. Die Auf-
bahrung der Leiche des Königs findet am Mitt-
woch in der alten Hofkapelle statt.—Die Section der Leiche
wurde von Professor Ruedinger im Beisein des Professors
Grashey, des Hofstabsarztes Halm und des Obermedicinal-
raths Kerschensteiner vollzogen. Die Section hat starke
Veränderungen degenerativer Natur am Schädel
sowie am Gehirn und dessen Häuten ergeben, die theils
auf chronische Entzündungsvorgänge älteren und jüngeren
Datums, theils auf eine abnorme Entwickelung zurückzu-
führen sind.
-k- *
München, 15. Juni. In der heutigen öffentlichen
Plenarsitzung derReichsräthe waren sämmtliche Prinzen,
der Statthalter von Elsaß-Lothringen, Fürst v. Hohenlohe,
beide Erzbischöfe, Graf von Holnstein und alle Mitglieder
Les Ministeriums, außer Herrn v. Crailsheim, welcher der
Section der Leiche des Königs beiwohnte, anwesend.
Präsident v. Franckenstein beginnt die Sitzung mit
einer tiefempfundenen Trauerrede über den Hintritt des
Königs, welche das Haus stehend anhört.
Staatsminister v. Lutz spricht gleichfalls im Namen
des Ministeriums Empfindungen der- tiefsten Trauer aus
und verliest im Auftrage des Reichsverwesers dessen Bot-
schaft, wodurch der Reichsverweser nach Anhörung des
Staatsraths beantragt, der Regentschaft zuzustimmen. Der
Minister erklärt sich beauftragt, den Kammern alle wün-
schenswerthen Aufschlüsse zu geben. Herr v. Lutz beantragt
namens des Ministeriums, diese Aufschlüsse in einer ge-
heimen Ausschußberathung zu geben; andernfalls dürfe man
es entschieden nur einer geheimen Plenarberathung oder
einem Ausschuß überlassen, zu bestimmen, ob die nachfol-
gende Plenarberathung öffentlich oder geheim sein solle.
» Der Antrag des Präsidenten v. Franckenstein, einen
Ausschuß von zwölf Mitgliedern einzusetzen, dessen Ver-
handlungen alle Reichsräthe, selbstverständlich unter strengster
Geheimhaltung der Berathung, anwohnen können, wird ein-
stimmig genehmigt. Die Abfassung des Ausschußberichts
und des Vortrages des Berichtserstatters wird ausschließ-
lich dem Präsidium überlassen.
Zu Mitgliedern dieses Ausschusses werden gewählt: als
Präsidenten die Barone v. Franckenstein und v. Pfezschmer;
Zu Secretären: die Grafen v. Lerchenfeld und v. Törring.
Als weitere Mitglieder: die Fürsten v. Hohenlohe und v.
Oemngen, Erzbischof Steichele, Oberconsistorialpräsident
D. Stoechelin, Frhr. v. Prankh und Dr. v. Neumayer; als
Ersatzmänner Graf Drechsel und Dr. v. Haubenschmied.
-t-. -l-
München, 15. Juni. Zum Begräbniß wird der
deutsche Kronprinz hierher kommen. Prinz Luit-
pold ist in Folge der gestrigen Aufregungen angeblich
schwer erkrankt. Im Muse des gestrigen Tages

sind wegen ungehöriger Aeußerungen über die Proklamation
der Regentschaft mehrere Verhaftungen erfolgt. — Dem
Franks. Journ. berichtet man: Ich bin in der Lage, Ihnen
jetzt folgende authentische Nachrichten über des
Königs Tod mitzutheilen: Am Pfingstsonntag Morgens
hatte der König mit Dr. Gudden einen Spaziergang am
Starnberger See gemacht und eine halbe Stunde auf einer
Bank mit freier Aussicht geruht. Abends wurde ein Spa-
ziergang in gleicher Richtung unternommen. Der König,
der sehr freundlich gegen Dr. Gudden war, flüsterte ihm
etwas ins Ohr, worauf Dr. Gudden den folgenden Wär-
tern abwiukte. Der König ging rechts, Dr. Gudden links.
Nach den Fußspuren zu schließen, hat der König plötzlich
seine Schritte beschleunigt und ist nach dem Wasser ge-
laufen, indem er seinen Regenschirm wegwarf. Dr. Gudden
ist ihm sofort nachgeeilt und hat ihm den Weg zum Wasser
abgeschnitten. Vor dem ersten Schritt ins Wasser
muß Dr. Gudden den'König am Rockkragen gepackt
haben, und zwar so fest, daß er sich dabei den Fingernagel
spaltete. Der König riß sich gewaltsam los, so daß Gudden
beide Röcke in der Hand behielt, die am Ufer gefunden
wurden. Dr. Gudden hat den König ins Wasser bis 15
Schritte vom Ufer verfolgt. Nach den im Lettenboden des
Sees abgedrückten Fußspuren hat sich der König dann
umgedreht und Dr. Gudden gepackt. In dem nun ent-
stehenden Kampf sind beide ertrunken und gegen '/-IT Uhr
aufgefunden. Des Königs Hut mit Diamant-Agraffe
schwamm auf dem Wasser. Die vermeintlichen Lebens-
zeichen waren nur die bei Ertrunkenen üblichen Gurgellaute.
Der Straßb. Post schreibt man: Wie ich erfahre, ist
der Versuch gemacht worden, Unruhen in Bayern her-
vorzurufen durch die Verbreitung eines Flugblattes, daK
als Gegenproklamation des Königs Ludwig II. bezeichnet
wird. Das Machwerk trägt den Datum „Hohen-
schwangau, 9. Juni", und ist, wie der Poststempel er-
gibt, in Basel gedruckt. Es ist in einem bombastischen
Stile verfaßt, der die socialdemokratischen Ergüsse kenn-
zeichnet, und enthält — ein weiterer Hinweis auf seinen
Ursprung ans dem revolutionären Lager — zahlreiche Ver-
stöße gegen die Grammatik und die Orthographie. Daß hier
eine grobe Fälschung vorliegt, wird nur von denjenigen
geleugnet werden, die grundsätzlich belogen sein wollen, so-
bald sie dies mit einem Bortheil für die socialdemokratische
Sache verbunden halten. Ein derartiger Versuch, eine
Tragödie auszubeuten, welch« die gesammte civilisirte Welt
erschüttert, ist eine Schande für die Partei, von der er
ausgeht, und wird von allen ehrlichen und anständig fühlen-
den Menschen mit Entrüstung zurückgewiesen.
* *
München, 15. Juni. Von Kaiser Wilhelm ist
dem Reichsverweser Prinzen Luitpold folgendes Tele-
gramm zugegangen:
Noch ehe ich Ew. Königlichen Hoheit Mittheilnng be-
antwortet habe, mit der Sie Nachricht geben von der Kata-
strophe, die Sie zur Regentschaft Bayerns berufen hat,
erhalte ich soeben durch Ihr Telegramm Mittheilung einer
noch größeren Katastrophe, die der vorigen ein entsetzliches
Ende nur gemacht hat, um Ew. Kgl. Hoheit die Regent-
schaft über ein anderes Mitglied Ihres- kgl. Hauses hinweg
und Ihrer hohen Berufung eine neue Verpflichtung aufzu-
erlegen. Für Em. Kgl. Hoheit Mittheilnng meinen treuesten
Dank darbringend, spreche ich Ihnen meine tiefste Theil-
nahme bei diesem in so vielen Hinsichten erschütternden Er-
eignisse aus, von deren Aufrichtigkeit Sie bei unserer so
langen Freundschaft gewiß überzeugt find. Wilhelm.
Von der Kaiserin erhielt Prinz Luitpold folgendes
Telegramm:
Mehrfach überwältigt durch die Nachricht, muß Ich Ew.
Kgl. Hoheit und den Ihrigen den Ausdruck einer Theil-
nahme senden, die der tiefen Trauer entspricht, die Ich im
Herzen schmerzlich empfinde. Gott helfe Ihnen in so namen-
los schwerer Stunde, Augusta.
Kaiser Franz Joseph telegraphirte:
Von der Trauer der Nachricht auf's tiefste ergriffen,,
entsende Ich Ew. Königlichen Hoheit Mein innigstes Bei--
leid mit dem Wunsche, daß Gott Sie in diesem schweren,
Momente stärke und erhalte.. Franz Joseph.
Das Telegramm des Großherzogs von Baden,
lautet:
Ew. Kgl. Hoheit spreche Ich mein aufrichtiges Beileid
aus an dem schmerzlichen Verluste, der das Kgl. Haus und
das Königreich so plötzlich betroffen hat. Die erschütternde
Kunde von dem Hinscheiden König Ludwigs II. erfüllt Mich
mit tiefer Trauer. Aber Ich hege die treuesten Wünsche
für Ew. Kgl. Hoheit gesegnete Regentschaft.
Von dem König von Sachsen und dem König
von Württemberg gingen ähnliche Telegramme an den
Reichsverweser ein.
Dr. Bernhard von Gudden, Obermedizinalrath,
Universitätsprofessor, Direktor und erster Oberarzt der Kreis-
irrenstalt Oberbayern, hat noch am Montag den 7. Juni
im Kreise seiner Familie seinen 62. Geburtstag gefeiert.
Gudden ist geboren zu Cleve am Rhein im Jahre 1824.
Nachdem der begabte Mann seine Studien mit Auszeichnung
vollendet hatte, wurde er Assistent des berühmten Psychia-
trikers Jakobi in Siegburg, wirkte alsdann in Jllenau in
Baden unter dem Geheimen Rath Roller und übernahm im
Jahre 1855 die Leitung der Irrenanstalt Werneck. Im
Jahre 1869 wurde Gudden Universitätsprofessor in Zürich
und als im Jahre 1872 die Kreisirrenanstalt München
ihren Leiter Professor Dr. Solbrig durch den Tod verlor,
wurde die Direktion dieses umfangreichen Institutes dem
Professor Dr. von Gudden übertragen, unter dessen Füh-
rung sie manche Verbesserung erfuhr und überhaupt erfreu-
lich blühte und gedieh. Das tragische Geschick des als
Fachmannn und Gelehrten hochgeachteten Mannes findet
überall die tiefste Theilnahme.

Aus Stadt uud Land.
AriLrlderg, 14. Juni. Der landwirthfchas.il. Äezirks-
verein Heidelberg hat sich die Aufgabe gestellt, rieben För-
derung des Obstbaues und des Handelsgewächsbaues insbesondere
die Viehzucht zu heben. Er bat deßhalb schon vor zwei Jahren
eine Commission von Sachverständigen gebildet, welche im Äerner
Oberlande echte Zuchtfarren ankaufte und an die Gemeinden und
Privaten, welche solche bestellt hatten, abgab. Dies Verfaßten
wurde auch im vorigen Jabre fortgesetzt und die Folge davon ist
die, daß jetzt im Bezirk 40 ächte Simmenthaler Farren Vorhände«
sind, währen vor zwei Jahren kaum 9 zu finden waren, und daß
einzelne Gemeinden, wie z. B. Bammenthal, ihren ganzen Bedarf
mit Zuchtfarren der genannten edleren Race deckten. Dieser für
den Anfang sehr günstige Erfolg veranlaßt den landw. Bezirks-
Verein den einmal betretenen und als richtig erkannten Weg zur
Hebung unserer Rindviebzncht beharrlich und nachhaltig zu
verfolgen. Es wird deßhalb auch in diesem Jahre wieder eine
Commission kn das Berner Oberland reisen, um Original-
Simmenthaler Zuchtfarren anzukaufen und an die Besteller nach
Maßgabe späteren Ilebereinkommens abgebeu. Die Auswahl der
anzukaufenden Thiere wird — den heutigen Anforderungen ent-
sprechend — mit größter Gewissenhaftigkeit erfolgen. Es sind
deßhalb von Seite des Vereins sämmtliche Gemeinderäthe des
Bezirks eingeladen worden, die Anschaffung eines oder mehrerer
der genannten Zuchtfarren in Berathung zu ziehen und unter
Angabe des wünschenswerthen Alters der anzukaufenden Thiere
ihre Bestellungen zu machen. Nach Ankunft der Anmeldungen
werden die Besteller — Gemeinden uud Private — zu einer wei-
teren Besprechung eingeladen werde». Es besteht leider bei vielen
Gcmeindevertretern noch das Vorurtheil, daß die schweizer Zucht-
farren zu theuer seien, uud daß durch bereu Ankauf den Gemeinden
zu hohe Kosten erwachsen würden. Wenn nun auch zugegeben
werden muß, daß ein achter Simmenthaler Zuchtfarren 100 bis
150 Mark mehr kostet als ein gewöhnlicher Landfarren, so ist auf
der andern Seite doch auch zu beachten, daß der Vortheil dieser
theueren Anschaffung zunächst den Viehbesitzern zu Gute kommt,
welche aus einem 3—4 Wochen alten Kalbe, das von einem solchen
Zuchtfarren gefallen, schon 4 bis 5 Mark mehr erlösen, und daß
die aufgezogene und veredelte Nachzucht einen weit höheren Werth
hat, als die gewöhnliche Landrace. Ucberdies zahlt der Staat,
Aufzuchtprämien von 7b bis IM Mark für jeden tadelfreien Zucht-
farren edler Race, so daß der erhöhte Gcmeindeaufwand durch-
diesen Staatsbeitrag wieder ersetzt wird. Es ergeht deßhalb die
dringende Aufforderung an alle Landwirthe, bei den Gemeinde-
vertretern dahin zu wirken, daß ein achter Zuchtfarren Simmen-
bhaler Race angeschafft uud rechtzeitig die Bestellungen gema-bt,
werden. Schon nach einigen Jahren werden sie ganz gewiß ein-
sehen, daß der erhöhte Aufwand nicht umsonst gemacht ist, sondern
dnß sich derselbe durch den bedeutend erhöhten Werth der Nach-
zucht reichlich gelohnt hat.
** Heidelberg, 16. Juni. Mit dem Bau der Pf erd eb ah n auf
der neuen Linie Hauptbahnhof-Steigerweg ist gestern begonnen
Warden und hofft man, wenn nicht durch die Ungunst der Wit-
terung eine Störung eintritt, die Linie in etwa 4 Wochen dem
Betrieb übergeben zu können.
— Heidelberg, 16. Juni. Am 14. d. M- wurde ein im Klingen-
teichwohnender Taglöhner von einem hier wohnhaiten Steinbrecher
mißhandelt, indem letzterer, denselben niederwarf, ihn würgte
und ihn mit dem Kopf auf den Boden stieß. Die Ursache zu dem
Vorgänge soll die gewesen sein, daß der Steinbrecher von einem Baum
unberechtigter Weise Kirschen heruntergeschlagen und der Miß-.-
handelte ihm dieses untersagt hab. — In der Nacht vom 12./13.
d. Mts. wurde in der Rohrbacherstraße auf einem Materialplatze
ein zunächst auf dem Gehweg stehender noch junger Birnbaum in
muthwilliger oder rachsüchtiger Weise abg e säg t und in den angren-
zenden Garten geworfen. Ein Thäter ist noch unbekannt. — Ein Mau-
rer aus Kürnbach besuchte mit einem Freunde hier eine Wirth-
schaft und hielt letzteren frei. Beim Weggehen ließ er aus Ver-
geßlichkeit seinen Schirm in der Wirihschast zurück, den später der
Freund an sich nahm, ihn sofort hier für 50 Pfg. versetzte und
sich sodann nach Mannheim begab. Der Thäter ist zur Anzeige
gebracht. — Gestern Nachmittag wurden dahier zwei Maurer -
(Brüder) aus Eppelheim wegen Ruhestörung in einer Wirthschaft
und wegen Widerstands verhaftet und in das Amtsgefängniß
verbracht.
— SchmhinM, 15- Juni. Die- Pfi- ng stf ei e r t a g e sind vo-
rüber und wir kehren nun wieder zur Alltäglichkeit zurück. Am
ersten Tag war der Fremdenbesuch wegen des Regenwetters ein
ziemlich schwacher; gestern hatten sich bei günstigem Wetter zwar
Wieder viele Leute aus Nah und Fern eingefunden, doch hat deren
Zahl die Besuche früherer Jahre keineswegs erreicht. Heute droht
leider der Himmel schon wieder m it Regen, was für die Heuernte
und die Kirschen höchst nachtheilig ist; aller auch die Reben, die
- gräßtentheils schon voll verblühter Trauben hängen, könnten jetzt
anhaltend warmen Sonnenschein brauchen, damit sich keine Krank-
heiten bilden. Was die Feldfrüchte anbetrifft, so stehen diese im
Allgemeinen recht schön. — Die Kriegervereine Brühl und
Plankstadt sind, wie wir hören,, dem deutschen Kriegerverband
beigetreten.
i"1 Mannheim, 15. Juni. In dem erschienenen II. Theil des
Jahresberichts pro 1885der H a n delskammer Mannheim
ist u. A. über die Lage des Handels und der Industrie gesagt:
„Von seltenen vereinzelten Ausnahmen abgesehen, krankten die
meisten unserer großen Handelszweige; auch unsere industriellen
Etablissements können die abgelanfene Berichtsperiode nicht rühmen.
Und noch schlimmer: auch das laufende Jahr droht sich eher noch
unerquicklicher zu gestalten, als das abgeschlossene. Die Ueber-
produktion macht sich allerwärts geltend; nicht minder das fort-
gesetzte Hasten der Nationen, sich auf dem Weltmärkte mit Hilfe
wirthschaftsgesetzlicher Maßnahmen gegenseitig den Rang abzu-
laufen. Wenn trotzdem der Gesammtverkehr zu Wasser und zn
Lande am Platze sich auch im letzten Jahre weiter gehoben Hat,
wie aus der Statistik allerdings hcrvorgeht, so ist das mehr auf
Rechnung rein zufälliger Umstände zu schreiben."
Kruchsal, V. Juni. Seit fünf Jahren pflegen dir früheren
badischen Pioniere alljährige Zusammenkünfte, bei welcher
die früher geschloffene Kameradschaft und Freundschaft in dek
herzlichsten Weise gefördert und erneuert wird. Dieses schöne
ächt patriotische Fest wurde voriges Jahr unter sehr zahlreicher
Bctheiligung in Pforzheim abgehalten, und werden die dort ver»
lebten schönen Stunden jedem Theilnehmer in angenehmer Er-
innerung sein. Es wurde damals für das diesjährige Fest
Bruchsal als Vorort bestimmt uud haben die hiesigen Piouiere
im Einverständnitz mit der Centralleitung in Karlsruhe Sonntag
den 4. Iuli hierzu bestimmt. Es werden nun wie früher sämmt-
liche Kameraden, deren Aufenthalt oder Wohnort bekannt ist,
schriftliche Einladungen erhalten. Um aber allen Kameraden
Gelegenheit zur Betheiligung zu geben, werden diejenigen, die sich
bisher noch nicht betheiligt haben, hiermit freundlichst ersucht,
ihren derzeitigen Wohnort und Adresse dem Beauftragten, Rath-
schreiber L. Holoch, umgehend mitzutheilen, worauf ihnen dann
die Einladungen zugehen werden.
Frnbms, 12. Juni. Die Breisg. Ztg. erhalt folgende Z u -
schrift eines hiesigen Arztes: Dieser Tage starb dahier em
vierzehnjähriger Knabe; das junge Deden fiel dem unvorsichtigen
Verschlucken von Kirschensteinen zum Opfer. Der Knabe erkrankte,
nachdem er einige Tage zuvor Krrichen mitsammt den Steinen ge-
gessen hatte, am 5. d. Mts. unter den heftigsten Schmerzen an
einer Unterleibsentzünduiig, welcher er am 10. d. Mts. unter den
Erscheinungen einer Durchbohrung der Darmwaudung erlag. Die
Leichenöffnung ergab: ru dem wurmförmigen Fortsatze des Blind-
darms lag, tief eiugedrungeu, ein Kirschcnstein und dicht daneben
war in der Wand dieses sehr engen Darmfortsatzes eine kleine
runde Oeffnuug. Die Darmwand war an dieser Stelle durch den
Druck des Kirschensteiiies brandig geworden und in der Folge
 
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